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Wanderung mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff und Stephan Weil.

© AFP

Schritt für Schritt: Bürger:innen wandern mit Steinmeier im Harz

Bundespräsident Steinmeier hat ausgewählte Bürger:innen zu einer Wanderung eingeladen. Er will hören, wie es ihnen in der Pandemie erging.

Betrachtet man nur die Wandergruppe, die am Sonntag unter einer dunklen, aber noch nicht regnenden Wolke durch den Harz spazierte, dann fällt er kaum auf. Schwarzes T-Shirt, schwarze Treckinghose, weiße Haare, Dauerlächeln – Frank-Walter Steinmeier hat sich unters Volk gemischt.

Einen Tag zuvor besuchte er noch mit Staatspräsident Reuven Rivlin in Israel das Grab von Staatsgründer Ben Gurion in Israel, einen Tag später empfängt er König Willem-Alexander der Niederlande und Königin Máxima zu einem Staatsbesuch in Deutschland.

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Hier im Harz redet er mit Bürger:innen über die lange gewünschte Seilbahn, die den Tourismus in der Region ankurbeln soll. Steinmeier will sich bürgernah zeigen, doch bürgernah heißt bei einem Bundespräsidenten: Polizist:innen mit Waffen und schusssicheren Westen vor und hinter der Wandergruppe, begleitende Personenschützer, hunderte Polizeibeamt:innen verteilt auf dem Brocken, dem höchsten Berg Norddeutschlands. Drogenspürhunde, gepanzerte Wagen, Pressevertreter:innen. Außerdem müssen alle, die mit Steinmeier wandern gehen möchten, vorher einen Coronatest machen.

Frustration in der Pandemie

Es ist bereits Steinmeiers zweite Wanderung entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze in diesem Sommer. Anfang Juni wanderte er mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und dessen Kollegin aus Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), entlang der Grenze der beiden Bundesländer. Nach dem Besuch im Harz wird Steinmeier noch auf der Grenze zwischen Hessen und Thüringen wandern gehen. Seine Message ist klar: Ich nehme eure Probleme ernst, ich höre euch zu.

Die erste der Etappen vom Brocken (Sachsen-Anhalt) auf den benachbarten Wurmberg (Niedersachsen) wandert er mit rund 15 Personen aus den Bereichen Übernachtung, Hotellerie und Gastronomie. Der Harz gehört zu den großen touristischen Regionen in Deutschland, Besucher:innen gehen dort wandern oder skifahren und ein Großteil der Bürger:innen vor Ort lebt vom Tourismus. Durch die Pandemie sind ihre Einnahmen zeitweise komplett weggebrochen. Das sorgte für Frustration.

In Debatten voneinander entfernt

„Es gab Zeiten, in denen waren wir nicht nur durch Hygiene-Regeln zu Abstand gezwungen, sondern es gab auch Zeiten, in denen wir uns auf Grund dieser Debatten etwas voneinander entfernt haben“, sagt Steinmeier vor Beginn der Wanderung zu seinen Gästen. Deshalb stünden diese Touren unter dem Motto Schritt für Schritt, „damit wir uns wieder annähern.“

Die Deutschen sollen sich von Diskussionen um die Corona-Politik nicht spalten lassen. Es gehe darum, zueinander Brücken zu bauen. Zu besprechen gebe es so vieles. Während der Wanderung sucht er persönliche Gespräche zu zweit mit Bürger:innen, genauso die Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt, CDU) und Stephan Weil (Niedersachsen, SPD), die ihn begleiten. Während sie wandern und reden, fährt die rauchende und pfeifende Dampflokomotive an ihnen vorbei, dahinter zeigt sich die Panoramaaussicht auf den weiten Nationalpark Harz.

Mittagessen mit dem Bundespräsidenten

Mittags kommen neue Gäste. Unter einem Zelt sitzen elf Bürgermeister:innen und Bürger:innen aus der Region mit Steinmeier, Haseloff und Weil bei Kaffee, belegten Broten und Falafel. Obwohl der Regen so laut auf das Zelt prasselt, dass die Gespräche teilweise kaum noch zu hören sind, achtet Steinmeier darauf, dass alle zu Wort kommen. „Wie hat sich die Corona-Situation bei Ihnen entwickelt?“, fragt er. „War es einsam?“

„Ja, einsam“, sagen einige und berichten von ihren Sorgen, das Essen wird kaum angefasst. Doch schon nach wenigen Minuten geht es nicht mehr um die Pandemie, sondern um grundsätzliche Themen. Musicaldarstellerin Maike Switzer wünscht sich Kultureinrichtungen für ihre Kinder, Unternehmer Joachim Klaeden hat es schwer, Angestellte zu finden und Touristiker Andreas Meling kritisiert die fehlenden Investitionen in den Tourismus vor Ort. Es geht auch darum, dass die Jugend wegzieht, weil die Region nicht mehr interessant genug sei, und deshalb Nachwuchskräfte fehlen.

Das betrifft zum Beispiel die Feuerwehr. Als Ronny Schuck von der Freiwilligen Feuerwehr sagt: „Ohne die Feuerwehr würde es hier ganz schön…“ unterbricht ihn Steinmeier: „brennen?“ und lacht freundlich, wie er es oft tut an diesem Tag. Wirklich helfen kann er wohl nicht, aber zuhören, Nachfragen stellen und Witze machen.

"Wir haben in der Runde sehr gut reden können"

Christian Barsch nutzt die Zeit, um Steinmeier darauf anzusprechen, dass ihm die Kulturförderung in der Region wichtig sei. Barsch wurde für das Gespräch ausgewählt, weil er Museumsleiter des Grube Samson Bergwerks vor Ort ist. Durch den Lockdown hatten sie keine Besucher:innen mehr, keine Einnahmen und auch nur wenige Coronahilfen.

„Ich habe mich sehr über den Besuch des Bundespräsidenten und der Ministerpräsidenten gefreut“, sagt er. „Wir haben in der Runde sehr gut reden können. Die Politiker haben zugehört und nach unseren Wünschen gefragt.“ Mit Ministerpräsident Weil hätten sie sogar noch einen Termin ausgemacht, um über das Gespräch hinaus ins konkrete, politische Handeln zu kommen.

„Ich wünsche Ihnen eine positive Entwicklung im Harz, dass die Touristen alle wieder kommen und ein paar neue noch dazu“, sagt Steinmeier zum Abschluss. Dann zieht er seine blaue Regenjacke über und trifft die dritte Gruppe zum letzten Wanderabschnitt. Wenige Minuten später beginnt es in Strömen zu regnen.

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