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Attacke: Mit versteinertem Gesicht ertrug Olaf Scholz auf der Regierungsbank die Vorwürfe von Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) in der Haushaltsdebatte des Bundestags.

© Tobias SCHWARZ/AFP

Haushaltsdebatte im Bundestag: Scholz lässt aus den aufgeblasenen Attacken die Luft raus

Dank Oppositionsführer Merz ist das Ringen mit der Regierung wieder höchst lebendig. Seine Angriffe parierte der Kanzler nun aber überzeugend. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Eines muss man Friedrich Merz lassen: Seit seiner Wahl zum Unionsfraktionschef ist das Ringen von Opposition und Regierung im Bundestag wieder ein höchst lebendiger, spannender und unterhaltsamer Prozess geworden. Im Plenum des Reichstages sind nun häufiger Werbeveranstaltungen für die Demokratie zu beobachten.

In der Haushaltsdebatte am Mittwoch hat der CDU-Chef das vermeintliche Versagen von Olaf Scholz vor der historischen Herausforderung attackiert, die Ukraine militärisch gegen den russischen Angreifer zu ertüchtigen. Damit reizte er die Ampelfraktionen zu empörten Zwischenrufen und riss die eigenen Reihen zu Begeisterungsstürmen hin. Da ist was los im Bundestag!

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Eines muss man aber auch dem Kanzler lassen: Er hat auf weitgehend überzeugende Weise die Vorwürfe des Oppositionsführers gekontert. Salopp könnte man formulieren: Er hat aus den teilweise sehr aufgeblasenen Attacken von Merz die Luft herausgelassen.

Es blieb nach seinem Auftritt nämlich nicht mehr allzu viel übrig an plausiblen Anschuldigungen gegen seine Koalition und erkennbaren Fehlern seiner Regierung in Zeiten des Krieges. Scholz, der kein geborener Rhetoriker ist, wurde erstaunlich emotional, griff Merz auch persönlich an.

So präzise und umfassend wie lange nicht listete der Regierungschef die Waffensysteme auf, die Deutschland schon an die Ukraine geliefert hat und noch liefern wird - darunter zweifelsohne auch moderne und „schwere Waffen“, deren Fehlen Merz ausdrücklich beklagt hatte, etwa Gepard-Panzer, ein Flugabwehrsystem und Mehrfachraketenwerfer. Das war überfällig und dringend notwendig angesichts von Vorwürfen aus der Ukraine und aus Osteuropa sowie einer teilweise heiß gelaufenen deutschen Debatte.

Emotional wie selten reagierte Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf die Attacken des Unionsfraktionschefs Friedrich Merz im Bundestag.

© Xander Heinl/IMAGO/photothek

In der hatten ja nicht nur die Oppositionsvertreter, sondern auch Politikerinnen und Politiker der Regierungsparteien den SPD-Kanzler als Bremser hingestellt, der historische Schuld auf Deutschland lade, was Merz natürlich gerne als Vorlage nutzte. Die bis Mittwochvormittag wenig überzeugende Kommunikation aus dem Kanzleramt hatte erst das Feld bereitet, auf dem diese Vorwürfe prächtig gediehen.

Bezeichnend war, dass sich der SPD-Politiker, von einigen improvisierten Antworten auf Merz abgesehen, zuerst dem Leiden der Deutschen an Inflation, immer teureren Nahrungsmitteln und explodierenden Energiepreisen widmete. Die Botschaft hieß: Über dem Krieg vergisst die Ampel ihre anderen, wichtigen Aufgaben nicht, vor allem bürdet sie den Regierten deshalb keine neuen Steuern auf. 

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Dass Scholz 55 Jahre nach der ersten „Konzertierten Aktion“ wieder ein politisch-gesellschaftliches Großbündnis zur Bekämpfung der Inflation ins Leben ruft, ist eine wirkliche Überraschung. Allerdings muss die Ampel ihr Versprechen, wegen des Krieges weder Energiewende noch Sozialstaat, Digitalisierung oder Bildungsaufbruch zu beschneiden, noch finanzieren - und das wird wegen der Schuldenbremse ein sehr heikler Ritt werden.

Eigene Kriegsziele bei der Hilfe für die Ukraine definierte der Kanzler ausdrücklich nicht - weil dies allein die Entscheidung Kiews bleibe. Allerdings hat er in Anlehnung an US-Präsident Joe Bidens Grundsatzartikel in der „New York Times“ klare Grenzen der militärischen Unterstützung der Ukraine definiert. Sie bekommt „schwere Waffen“, auch ein hoch modernes Luftabwehrsystem. Das angegriffene Land darf sie aber nicht gegen russisches Territorium einsetzen. So soll das Risiko eines Kriegs zwischen Nato und Russland begrenzt werden. 

An einer Stelle blieb Scholz eine Antwort schuldig: Seine Hinweise auf die enge Abstimmung innerhalb der Nato klingen plausibel. Keine Klarheit aber hat er darüber geschaffen, ob es eine informelle Absprache wichtiger Nato-Staaten gibt, keine Kampfpanzer westlicher Bauart zu liefern. Fazit: Scholz hat sein Handeln den Deutschen endlich gut erklärt, aber es bleibt noch Luft nach oben. Die Klarheit dieser Rede sollte sich der Regierungschef selbst zur Daueraufgabe machen.

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