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Bessere Teilhabe: Schlechte Noten für Deutschland

Bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gibt es viele Defizite. Die Regierung hat gleich drei Großbaustellen für die laufende Legislaturperiode.

Prüfer der Vereinten Nationen (UN) haben Deutschland vor wenigen Monaten nicht weniger als 62 „Empfehlungen“ zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der UN gegeben. Mit anderen Worten: Es gibt hier noch erhebliche Defizite. Schlechte Noten erhielt Deutschland unter anderem bei der Inklusion behinderter Kinder in Schulen, der Integration von Behinderten auf dem Arbeitsmarkt und auch beim Thema politische Teilhabe. Menschen, die unter Betreuung stehen oder im Rahmen eines Maßregelvollzugs in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind, haben in Deutschland beispielsweise kein Wahlrecht – ein klarer Verstoß gegen die UN-Konvention. „Wir dürfen nicht fragen, ob diese Menschen in der Lage sind zu wählen, sondern wir müssen fragen, wie wir sie unterstützen können, damit sie ihre Bürgerrechte wahrnehmen können“, sagt Verena Bentele, die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung.

Die Hausaufgabenliste der Bundesregierung ist lang. Mit dem Teilhabegesetz, dem Gleichstellungsgesetz und dem nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention hat sie derzeit gleich drei große Baustellen, die noch in der laufenden Legislaturperiode abgeschlossen werden sollen. Die Behindertenbeauftragte sitzt bei den Beratungen jeweils mit am Tisch.

Beim Bundesteilhabegesetz hat die Regierung hohe Erwartungen geweckt: Monatelang durften die Behindertenverbände in einer Arbeitsgruppe im Arbeitsministerium ihre Wünsche einbringen. Wie viel davon am Ende umgesetzt wird, ist aber offen. Denn im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass durch die Reform keine neue Ausgabendynamik entstehen soll. Zu den zentralen Forderungen der Verbände gehört, die bestehenden Einkommens- und Vermögensgrenzen abzuschaffen. Derzeit dürfen Menschen mit Behinderung, die staatlich finanzierte Assistenz benötigen, nicht mehr als 2600 Euro ansparen. Auch wer einem Beruf nachgeht und auf Unterstützung angewiesen ist, dem bleibt oft nur ein Teil seines Einkommens. Es sei demütigend, sich regelmäßig vor dem Sozialamt offenbaren zu müssen, kritisieren die Verbände. Die Abschaffung dieser Grenzen könnte rund eine halbe Milliarde Euro kosten. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) macht immer wieder deutlich, dass es ein modernes Teilhaberecht „nicht zum Nulltarif“ geben werde. Ob Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für ihre Vorhaben aus dem Bundeshaushalt Geld zur Verfügung stellt, ist aber mehr als ungewiss.

Zu den Forderungen der Verbände gehört auch, eine unabhängige Beratung von Behinderten für Behinderte zu schaffen, damit sie sich nicht mehr im Gewirr der verschiedenen Leistungsträger zurechtfinden müssen. Hierfür stellte Nahles bisher zumindest die Finanzierung von Modellprojekten in Aussicht.

Im Herbst will das Arbeitsministerium einen Gesetzentwurf zur Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes vorlegen, das es seit 2002 gibt. Ziel ist es, für Barrierefreiheit zu sorgen – so wie es die UN-Konvention verlangt. Verbände fordern zudem, die Leichte Sprache für Menschen mit Lernschwierigkeiten als Kommunikationsform anzuerkennen und rechtlich zu verankern. Bis 2026 sollen die bestehenden Bauten der Bundesverwaltung barrierefrei sein.

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