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Ein Hinweisschild vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe.

© Uli Deck/dpa

Schadenersatz für Behinderten: BGH urteilt: Sozialämter müssen über Ansprüche aufklären

Ein Behinderter wurde vom Sozialamt jahrelang nicht darüber aufgeklärt, dass er vermutlich Rentenansprüche hat. Nun hat das BGH ihm Schadenersatz zugesprochen.

Mitarbeiter der Sozialträger müssen auch über den Tellerrand schauen und auf mögliche Ansprüche gegenüber anderen Trägern hinweisen. Unterbleibt dies, können Betroffene Anspruch auf Schadenersatz haben, wie am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschied. Danach muss das Sozialamt des Landkreises Meißen einem Behinderten vermutlich mehrere zehntausend Euro bezahlen.

Der heute 34-jährige Kläger hatte eine Förderschule für geistig Behinderte besucht und anschließend an berufsbildenden Maßnahmen in einer Werkstatt für behinderte Menschen teilgenommen. Anschließend war er nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt deckende Einkünfte zu erzielen.

Beim Sozialamt des Landkreises Meißen beantragte seine auch zur Betreuerin bestellte Mutter daher Grundsicherungsleistungen wegen Erwerbsminderung. Dies wurde ihm ab November 2004 bewilligt. 2011 wurde eine neue Sachbearbeiterin zuständig. Diese wies die Mutter darauf hin, dass ihr behinderter Sohn vermutlich Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente habe. Diese wurde dann auch ab August 2011 bewilligt.

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Von dem Sozialamt verlangte die Mutter für ihren Sohn nun Schadenersatz in Höhe von gut 50.000 Euro. Die Behörde hätte schon 2004 auf die Möglichkeit einer Rente hinweisen müssen. Weil dies unterblieben sei, müsse sie die Differenz zwischen Sozialhilfe und Rente ausgleichen.

Der BGH gab der Klage nun im Grundsatz statt. "Im Sozialrecht bestehen für die Sozialleistungsträger besondere Beratungs- und Betreuungspflichten", betonten die Karlsruher Richter. Wegen des Ineinandergreifens verschiedener Träger sei das Sozialsystem besonders kompliziert und werde immer komplizierter. Eine gute Beratung sei daher Grundlage dafür, dass das System überhaupt funktioniere.

"Die Beratungspflicht ist deshalb nicht auf die Normen beschränkt, die der betreffende Sozialleistungsträger anzuwenden hat", erklärte der BGH weiter. Hier sei ohne weitere Ermittlungen offenkundig gewesen, dass ein Anspruch auf Erwerbsminderungs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente bestehen könne. Daher hätte die Sachbearbeiterin auch schon 2004 eine Beratung bei der Rentenversicherung empfehlen müssen.

Weil sie dies unterlassen habe, habe sie ihre Amtspflichten verletzt, urteilte der BGH. Im Streitfall soll nun das Oberlandesgericht Dresden ganz sicher klären, ob ein Rentenanspruch bereits 2004 bestand und in welcher Höhe dann Anspruch auf Schadenersatz besteht. (AFP)

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