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Präsident Putin gibt sich zurückhaltend. Regierungschef Medwedew ist zuständig für die scharfe Reaktion auf die US-Sanktionen.

© REUTERS

Nach US-Sanktionen: Russland spricht mit verschiedenen Stimmen

Premier Medwedew spricht von einem Handelskrieg mit den USA – dabei ist der sehr unwahrscheinlich. Welche Interessen Putins Russland hat.

Berlin - Russland, der Iran und Nordkorea drohen den USA mit Gegenmaßnahmen, nachdem US-Präsident Donald Trump das Gesetz des Kongresses mit neuen Sanktionen gegen die drei Länder in Kraft gesetzt hat. Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew sprach von einem „Handelskrieg“. Irans Vizeaußenminister Abbas Araghtschi sagte, die US-Strafmaßnahmen verstoßen gegen das 2015 unterzeichnete Abkommen zur Begrenzung von Teherans Atomprogramm. Nordkorea hatte bereits in den vergangenen Tagen mit einem Angriff gedroht.

Trump hatte das Sanktionsgesetz nicht aus freien Stücken in Kraft gesetzt. Die Sanktionen gegen Moskau lehnt er ab. Ihm blieb aber keine andere Wahl, weil Republikaner und Demokraten das Gesetz mit großer Mehrheit beschlossen hatten. Ein Veto des Präsidenten hätte der Kongress leicht überstimmt.

Nun macht Trump den Kongress für das schlechte Verhältnis zu Russland verantwortlich. „Unsere Beziehungen sind in einem hoch gefährlichen Allzeittief. Dafür ist dem Kongress zu danken, der nicht mal eine Gesundheitsreform hinkriegt“, twitterte der Präsident.

Es ist freilich nicht klar, wie Russland einen „Handelskrieg“, von dem Medwedew spricht, führen will. Der Warenaustausch ist gering. Zudem ist Moskau auf westliche Investitionen und Know-how angewiesen. Als Antwort hatte Russland zu nicht-ökonomischen Maßnahmen gegriffen und hunderte US-Diplomaten ausgewiesen.

Ähnliches gilt für den Iran. Auch Teheran kann nicht mit Wirtschaftssanktionen gegen die USA antworten. Es erwartet vielmehr eine Linderung der bestehenden westlichen Sanktionen. Dies hatten die USA und die EU im Atomabkommen als Gegenleistung dafür zugesagt, dass Teheran sein Nuklearprogramm begrenzt und internationale Kontrolle zulässt. Die USA begründen die Sanktionen gegen den Iran mit einem Raketentest, den auch die EU als vertragswidrig kritisiert hat, sowie mit Teherans Umgang mit Menschenrechten und der Unterstützung der libanesischen Hisbollah-Miliz.

Die Sanktionen gegen Russland begründet der Kongress mit Moskaus Versuchen, die US-Wahl zu beeinflussen, und mit dem Krieg in der Ukraine. US-Vizepräsident Mike Pence war in den vergangenen Tagen in die drei baltischen Staaten, nach Georgien und Montenegro gereist und hatte diesen Ländern Beistand gegen Russland versprochen.

Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensia sagte, die Sanktionen schadeten den Beziehungen. Moskau wolle aber weiter mit der US-Regierung zusammenarbeiten. Falls der Kongress jedoch glaube, die russische Politik verändern zu können, täusche er sich. „Das hat die Vergangenheit viele Male gezeigt.“

Überraschend ist, dass Regierungschef Dmitri Medwedew mit einer scharfen Attacke auf die US-Sanktionen reagiert. Er hat sich seit Monaten nicht zu relevanten außenpolitischen Fragen geäußert und das Feld dem Präsidenten Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow überlassen. Jetzt wird er offensichtlich wieder ins Moskauer Rollenspiel auf der internationalen Bühne einbezogen.

Die Sanktionen seien gleichbedeutend mit einem voll ausgebrochenen Handelskrieg, sagte der Regierungschef. Sie würden wohl Jahrzehnte Bestand haben. Aber eigentlich spiegelten sie nur den inneren Zustand der USA: „Da soll ein Spieler, der nicht zum System gehört, liquidiert werden.“ Damit gemeint ist natürlich Präsident Trump. Russlands politische Elite diskutiert derzeit heftig über mögliche Gegenmaßnahmen. Dmitri Trenin, Chef der Moskauer Carnegie Stiftung, kann mit dem politischen Alarmismus Medwedews nicht viel anfangen. „Putin verhält sich nicht wie ein Mann, der die Beziehungen zu den USA vollständig aufgeben will“, sagt er. Auffällig sei, dass der russische Präsident mit seiner Reaktion auf die US-Regierung ziele und nicht auf die Interessen der US-Wirtschaft in Russland. Putin werde auch weiter unterschiedliche Botschaften an unterschiedliche Interessengruppen senden, ist Trenin überzeugt.

Auch andere russische Experten halten wirtschaftliche Gegensanktionen für kontraproduktiv. Russland hat sich – nach einer Reihe vergeblicher Anläufe – für die nächsten Jahre erneut eine Modernisierungsstrategie vorgenommen, um die Abhängigkeit von Rohstoffexporten zu vermindern. Dazu braucht es amerikanische Finanzinvestitionen.

Diskutiert werden in Moskau deshalb vor allem politische Antworten auf die US-Sanktionen. Wie Versuchsballons werden derzeit verschiedene Themen in den Raum gestellt: vom Austritt aus Abrüstungsverträgen über Waffenlieferungen an den Iran bis zu Schritten, die den US-Interessen im Konflikt mit China und Nordkorea oder anderen Regionen schaden könnten.

Die kremlkritischen russischen Medien verwesen darauf, dass die Destabilisierung und das Verbreiten von Ängsten über eine Zuspitzung von Konflikten seit Jahren das Hauptgeschäft der russischen Außenpolitik seien. In dieser Hinsicht funktioniere sie gut.

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