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Corona-Impfung in Moskau mit dem Mittel „Sputnik V“

© AFP/Kirill Kudryavtsev

Russland beginnt mit der Impfkampagne: „Sputnik V“ hat Startprobleme

In Moskau haben die Corona-Impfungen mit dem rasch entwickelten Mittel „Sputnik V“ begonnen. Präsident Putin muss zugeben, dass das nicht unproblematisch ist.

Die Lage ist seit Wochen dramatisch. Im Corona-Notkrankenhaus im Moskauer Norden mussten am Wochenende zusätzliche Intensivbetten aufgestellt werden, berichteten lokale Medien. Allein in der russischen Hauptstadt wurden am Montag fast 7300 Neuinfektionen registriert. 1400 Menschen müssen auf Intensivstationen behandelt werden, jeder Dritte von ihnen wird künstlich beamtet. Insgesamt werden in Russland seit einer Woche um die 29.000 Neuinfektionen gemeldet.

Diese Meldungen gingen fast unter, in Russland ist Optimismus angesagt. Schließlich hat am Wochenende in der Hauptstadt die Impfkampagne mit dem Impfstoff "Sputnik V" begonnen. 70 Impfzentren haben am Sonnabend ihre Arbeit aufgenommen. Menschen in Risikoberufen, Mitarbeiter im medizinischen Bereich, in sozialen Einrichtungen und Lehrer kommen zuerst dran. Die Teilnahme ist freiwillig.

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Mitte August hatte Präsident Wladimir Putin stolz verkündet, in Russland sei der weltweit erste aus zwei Präparaten bestehende Impfstoff gegen Covid-19 zugelassen worden. Schnell stellte sich heraus, dass an dieser Meldung vieles Propaganda war. Das begann schon mit dem Namen. "Sputnik V" erinnerte an den ersten Satelliten, der die Erde 1957 umkreiste.

Wie der sowjetische Raumflug vor mehr als 60 Jahren sollte nun der Impfstoff die Welt von der Überlegenheit russischer Wissenschaft und Technologie überzeugen. Doch in Wahrheit war das Medikament noch gar nicht fertig, es fehlte die dritte Testphase mit mehreren Tausend Probanden. In Russland erklärte man dieses international übliche Vorgehen flugs zur Post-Registrierungsphase, an deren Ende dann im Januar die Zertifizierung, also die tatsächliche Zulassung, stehen sollte.

Russlands Präsident Wladimir Putin
Russlands Präsident Wladimir Putin

© Reuters/Sputnik/Alexei Nikolsky/Kremlin

Bis Jahresende zwei Millionen Dosen

Angesichts der nach oben schnellenden Infektionszahlen machte Putin noch einmal Druck. Nicht erst im Januar, sondern sofort die Impfkampagne starten, erklärte er in einer Fernsehbotschaft. Kurz zuvor hatte der britische Premier Boris Johnson bekannt gegeben, dass in dieser Woche die Impfungen auf der Insel beginnen. Überholen lassen wollte man sich in Moskau keinesfalls.

Allerdings musste Putin zugeben, dass alles nicht ganz unproblematisch ist. Nur rund 500.000 Dosen seien seit dem Sommer produziert worden. Bis zum Jahresende sollten es zwei Millionen sein, gab der Präsident in Auftrag. Doch dieses ohnehin bescheidene Ziel werde wohl verfehlt, fand das Online-Portal "Meduza" heraus.

Russlands Impfstoff besteht aus zwei unterschiedlichen Komponenten aus dem Adenovirus. Die erste lässt sich stabil produzieren, davon ließen sich leicht sogar viel mehr als zwei Millionen Dosen herstellen. Die zweite Komponente erweise sich jedoch als "tückisch" schreibt Meduza. "Für die zweite Komponente müssen die technologischen Prozesse und die Maschinen noch verbessert werden. Alle unsere Anstrengungen sind jetzt darauf gerichtet, die Produktion der zweiten Komponente in Gang zu bringen." Bislang konnten nur einige zehntausend Dosen hergestellt werden.

"Wir können das Impfen gegen Corona zwar beginnen, aber wir können die Immunisierung derzeit nicht abschließen", kommentierte ein Experte in der Zeitung "Kommersant".

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Die russische Provinz bleibt abgehängt

Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin machte am Montag die Dimensionen deutlich, die eine Impfkampagne allein in seiner Stadt haben müsste. "In der Perspektive müssen wir sechs bis sieben Millionen Menschen impfen", sagte er dem Nachrichtenportal "gazeta.ru". "Mit einem Ruck werden wir das Steuer nicht herumreißen können." Selbst in Moskau werden die Impfungen von Bürgern, die nicht den Risikogruppen angehören, nicht vor Mitte Januar starten.

Vom Beginn der Kampagne können die Verantwortlichen in der russischen Provinz nur träumen. Dort habe man noch nicht einmal etwas über eine Perspektive erfahren, erfuhr "Kommersant" bei einer Telefon-Umfrage in de Regionen. Ohnehin scheint das Vertrauen in "Sputnik V" begrenzt, weniger als 50 Prozent der Menschen geben in Umfragen an, sie würden sich freiwillig impfen lassen.

Der Chef des angesehenen Sklifossow-Krankenhauses, Gennadi Onischtschenko machte deshalb einen Vorschlag, der auf wenig Gegenliebe stoßen dürfte. Um die Infektionszahlen herunterzubekommen, sollten in diesem Jahr die Ferien zum Jahreswechsel ausfallen, meint er. "Die ganze Welt feiert Neujahr und geht dann wieder arbeiten, wir arbeiten aber erst einmal zwei Wochen nicht."

Gemeint ist die Periode zwischen dem Neujahr nach gregorianischem und nach julianischem Kalender am 14. Januar. Da tut sich in Russland traditionell wenig bis gar nichts. Diese Periode, die auch mit einem wesentlich erhöhten Alkoholkonsum einhergeht, zu verkürzen - daran ist schon Michail Gorbatschow vor knapp 40 Jahren gescheitert.

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