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Die BND-Zentrale in Berlin-Mitte. Wie brisant die Informationen waren, zu denen der mutmaßliche Spion dort Zugang hatte, ist noch nicht bekannt.

© dpa/Christophe Gateau

Russische Spionage: Schon vor dem Krieg der Normalfall

Der BND hat einen mutmaßlichen russischen Spion in den eigenen Reihen enttarnt. In Berlin nahm man Moskaus Aktivitäten zu lange nicht ernst genug.

Ein Kommentar von Christopher Ziedler

| Update:

Überrascht kann von der jüngsten Nachricht des Bundesnachrichtendienstes niemand sein. Überraschend ist am ehesten, dass der mutmaßliche Spion in den eigenen Reihen, der geheime Informationen aus Berlin nach Moskau weitergereicht haben soll, überhaupt enttarnt wurde.

Schließlich gibt es eine unschöne lange Tradition, in der russische Geheimdienste in Deutschland erfolgreiche Operationen durchziehen und eher selten überführt werden. Das liegt einerseits in der Natur der Sache, andererseits auch an der unzureichenden politischen Konsequenz gegenüber dem Kreml in den Vorjahren.

Russische Geheimdienstaktivitäten zielten auf „sämtliche deutschen Politikfelder“ – das steht schon im Verfassungsschutzbericht 2020. Das Interesse richte sich „insbesondere auf die Bündnispolitik, aber auch die Außen- und Wirtschaftspolitik“. Der erste große Hackerangriff auf den Bundestag lag da schon Jahre zurück.

„Das Ziel, unsere Gesellschaft zu schwächen“

Desinformationskampagnen gab es ohnehin seit Jahren, etwa während der ersten Fluchtbewegungen aus Syrien. In der Corona-Hochphase berichtete der damalige Kanzleramtschef Helge Braun, mit den Diensten unter sich, vom russischen „Ziel, unsere Gesellschaft durch eine möglichst niedrige Impfquote zu schwächen“.

Russland behandelt Deutschland schon viel länger als Gegner als umgekehrt. Dass seine Agenten, Hacker oder Trollfabriken der Bundesrepublik schaden wollen, wo es nur geht, ist spätestens seit der Annexion der Krim und den EU-Sanktionen 2014 der Normalfall.

Die neue Entschlossenheit kommt spät

Die Spionageabwehr war sich dessen durchaus bewusst, verstärkte auch das Engagement, die Politik handelte aber anscheinend nicht danach. So spricht viel dafür, dass erst mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine und den offen ausgesprochenen Drohungen gegen westliche Länder die nötige Entschlossenheit an den Tag gelegt wird.

Zumindest gab es zuvor keine ähnlich spektakulären Erfolge zu vermelden wie im April diesen Jahres, als 40 russische Agenten enttarnt und aus Deutschland ausgewiesen wurden. Die neue Aufmerksamkeit hat nun möglicherweise auch dazu beigetragen, dass Carsten L. dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof vorgeführt werden konnte.

Leider aber hat Russland einen taktischen Vorsprung, weil seine Dienste früh aktiv und spät konsequent bekämpft wurden.  „Das“, sagte Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang zu den im April enttarnten Spionen, „waren längst nicht alle.“

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