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Ein Küstenschutzboot für Saudi-Arabien wird im Hafen auf ein Transportschiff verladen.

© Stefan Sauer / dpa

Rüstungsexporte: Ritual der Skandalisierung

Rüstungsexporte werden schnell moralisch verurteilt. In der Realität aber sind funktionierende Kontrollen ein strategischer Gewinn. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fabian Löhe

Natürlich sind Rüstungsexporte moralisch schwierig – sie prallen ganz schnell auf die nüchterne Realität. Die sieht so aus: Erneut haben die fünf größten Exportnationen USA, Russland, Frankreich und – noch vor China – auch Deutschland ihre Ausfuhren von Waffen deutlich gesteigert. Weltweit sind die Rüstungsexporte laut Sipri, dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut, in den vergangenen fünf Jahren um knapp acht Prozent gewachsen. Aus Deutschland gingen derweil 13 Prozent mehr Kriegsgerät ins Ausland, bei den USA waren es fast 30 Prozent, bei Frankreich sogar mehr als 40 Prozent.

Und doch führt das Ritual der Skandalisierung nicht weiter. Das gilt insbesondere für Deutschland. Keine Industrienation weltweit hat noch strengere und auch transparentere Regeln für den Waffenexport als die Bundesrepublik. Hierzulande wird von Amts wegen auch noch jedes Kugellager und jede Schraube geprüft. Immerhin 40 Prozent der Ausfuhren gehen in die EU, die Nato oder ihnen gleichgestellte Länder. Vor allem aber: In Europa wird kein einziges nennenswertes Rüstungsprojekt von einem Land alleine gestemmt. Die Staaten sind miteinander verflochten. Und das ist gut so, schauen sie sich doch dadurch gegenseitig auf die Finger.

"German free" als Kaufargument

Deutschland nimmt zunehmend eine Sonderposition ein, auch auf Drängen der SPD innerhalb der Koalition: Im November 2018 hat die Bundesregierung – moralisch wie politisch absolut nachvollziehbar - nach dem Tod des regierungskritischen saudischen Journalisten Jamal Khashoggi alle Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien gestoppt.

Nicht so Großbritannien und vor allem Frankeich. Sie gehen wesentlich, sagen wir: pragmatischer, damit um. Daher wird auf internationalen Rüstungsmessen bei Produkten ohne deutsche Beteiligung inzwischen gerne schon mal mit dem Slogan „german free“ als Kaufargument geworben. Trotzdem sind in Paris und London die Regierungen mittlerweile richtiggehend entrüstet wegen Berlin, weil die meisten Konzerne wegen der deutschen Politik eben nicht ihre Verträge einhalten können.

Vergangenen Monat erst schrieb der britische Außenministers Jeremy Hunt in einem Brief an seinen deutschen Amtskollegen, er sei „tief besorgt“. Sein Grund: Durch den Exportstopp schwinde die Möglichkeit, Schlüsselfiguren in Saudi-Arabien bei möglichen Friedensverhandlungen mit dem Jemen im Speziellen und bei der Einhaltung des internationalen Völkerrechts im Allgemeinen zu beeinflussen. Zugleich wachse ein „echtes Risiko“, dass Saudi-Arabien in Zukunft auf russische oder chinesische Lieferungen zurückgreifen könnte.

Denn unabhängig davon, dass hier selbstverständlich knallharte wirtschaftliche Interessen vertreten werden – eine funktionierende Rüstungsindustrie ist ein strategischer Gewinn. Deutschland hat schlicht ein Interesse daran, dass Staaten – so in Nordafrika – nicht kollabieren. Hinzu kommt: Rüstungsexporte sind nicht per se zu verurteilen und für den Standort keine Kleinigkeit. Allein von Saudi-Arabien nach Deutschland befinden sich rund zwei Milliarden Euro an Zahlungen in der Warteschleife; baldige Klagen der Industrie sind da übrigens nicht ausgeschlossen.

Natürlich gilt es, in allen Fällen genau hinzuschauen, wer genau welches Gerät mit welchen Fähigkeiten für welchen Zweck erhalten soll. Ein entsprechendes europäisches Rüstungs- und Beschaffungswesen ist dafür dringend – indes so schnell nicht in Sicht. Und selbst wenn: dass sich dann die äußerst strikten deutschen Regel durchsetzen, wird Wunschdenken bleiben. Leider.

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