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Manfred Weber, Fraktionschef der EVP im Europaparlament, will die Nachfolge von EU-Kommissionschef Juncker antreten.

© picture alliance / dpa

Interview mit EU-Politiker Manfred Weber: "Risiko in der Euro-Zone"

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber spricht im Interview über die Folgen der italienischen Haushaltspolitik, den Brexit - und die Zukunft von Horst Seehofer.

Herr Weber, die italienische Regierung plant für 2019 ein Budget mit einer Neuverschuldung von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung.  Will die italienische Regierung die EU-Kommission damit ganz bewusst provozieren?

In der Tat hat die Regierung in Rom eine massive Debatte über Italiens Schulden losgetreten. Ich würde mir aber wünschen, dass die Diskussion nicht nur zwischen Rom und Brüssel ausgetragen wird. Auch die EU-Staaten müssen untereinander erörtern, was es bedeutet, wenn die italienischen Etatpläne gravierend über den Vereinbarungen liegen. Als Erste könnten einstige Programmstaaten wie Spanien, Portugal und Griechenland von möglichen Turbulenzen an den Finanzmärkten betroffen sein. Dies sind Länder, die erfolgreich enorme Anstrengungen unternommen haben, um wieder zur Stabilität zurückzukehren.   

Droht angesichts der Populisten-Regierung in Rom eine Krise, welche eine noch größere Sprengkraft hat als seinerzeit die Griechenland-Krise?

Europa befindet sich gegenwärtig in einer weit besseren Verfassung als während der Griechenland-Krise. Wir haben ein stabiles Wachstum von über zwei Prozent. Der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hat den Ausstieg aus der Niedrigzins-Politik angekündigt. Die Entwicklung in allen nationalen Etats geht in die richtige Richtung – mit der Ausnahme Italiens. Es wäre sehr problematisch, dass ein einziger Staat jetzt ein neues Risiko in der Euro-Zone verursacht.

Der Brexit wird für die EU ebenfalls zunehmend zum Risiko. Liegt das auch an der britischen Regierungschefin May?

Premierministerin May ist eine seriöse Verhandlungspartnerin. In London ist man aber derzeit offenbar nicht in der Lage, politische Mehrheiten für mögliche Kompromisse zu organisieren. Das kann man beispielsweise daran sehen, dass das  jüngste Verhandlungsangebot der EU – nämlich die Verlängerung der Übergangsfrist nach dem Brexit-Stichtag am 29. März 2019 – in London verpufft ist.

Wie sollte die EU reagieren, falls gegen Ende des Jahres die Regierung in London darum bitten sollte, die Verhandlungen über die Austrittsvereinbarung über den 29. März 2019 hinaus zu verlängern?

Für mich ist es nicht denkbar, dass wir die Verhandlungen über den Austrittsvertrag verlängern. Wir werden den Menschen vor der Europawahlen im Mai 2019 reinen Wein einschenken. Es muss klar sein, was der Brexit konkret bedeutet. Deshalb muss es auch vor den Europawahlen einen Abschluss geben. 

Bei der Europawahl wollen Sie  Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei werden. Was unterscheidet Sie von Ihrem Konkurrenten in der  EVP, dem früheren finnischen Ministerpräsidenten Alexander Stubb?

Heute nehmen die Menschen die EU häufig als ein technokratisches Elitenprojekt wahr. Das möchte ich ändern. Wenn ich nun die Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker antreten will, kann ich mir zugute halten, dass ich Parlamentarier bin. Verwurzelt in meinem Wahlkreis, gewählt von den Bürgern.

Ungarns Regierungschef Viktor Orban hat mitgeteilt, dass er Ihre Spitzenkandidatur für die EVP unterstützen will. Freuen Sie sich darüber?

Ich freue mich darüber, dass ich bereits viel Zuspruch in der EVP habe. Alle Staats- und Regierungschefs aus den Reihen der EVP haben ihre Unterstützung für mich erklärt.

Wäre es denn denkbar, dass ein Chef der EU- Kommission quasi im Nebenjob noch eine Partei führt? Oder ginge das gar nicht? 

(lacht) Diese Frage werde ich nicht beantworten, auch wenn sie sehr geschickt gestellt ist. Wir haben in der CSU einen festen Zeitplan vereinbart, wie wir mit dem Wahlergebnis umgehen. An den halte ich mich. Aber klar ist: Wir brauchen nach der Regierungsbildung in Bayern, die jetzt im Mittelpunkt steht, auch eine ordentliche Aufarbeitung der Wahlergebnisse, damit wir richtige Schlüsse ziehen.

Einer dieser Schlüsse könnte ein Personalwechsel an der Spitze sein. Muss Seehofer zurücktreten?

Nochmal: Ich halte mich an unseren Zeitplan. Horst Seehofer ist bis 2019 gewählt. Ich glaube, dass wir gut daran tun, erst das Versprechen der Stabilität einzuhalten und für eine stabile Regierung mit ihrem inhaltlichen Programm zu sorgen. Das Nächste ist dann: Wir brauchen eine intensive Debatte. Ein Weiter-So wird es nicht geben.

Wann und wie sollte diese Debatte denn stattfinden? Bei einem Parteitag? Oder, wie Ihr Parteifreund Hartmut Koschyk vorgeschlagen hat, vielleicht sogar über eine Mitgliederbefragung?

Es wird eine breite Debatte in den Gremien auf allen Ebenen der Partei geben. Über die Formate werden wir reden. Entscheidend ist die Selbstvergewisserung. Die CSU ist eine Partei der Mitte, dort ist unser Platz. Christlich, sozial, liberal, konservativ: Das muss in unserer Alltagspolitik deutlich werden. Und Ende Mai ist Europawahl. Es wird klar werden, dass die CSU Europa will und in eine gute Richtung führen möchte. Wir werden nicht nochmal einen Gauweiler-Wahlkampf führen. 

Heißt: Die CSU darf sich nicht wieder so spreizen wie 2014, als sich EU-Gegner mit Proeuropäern bekriegten?

Ich schätze in meiner Partei die Debatte, dass wir viele Strömungen haben und Volkspartei sind. Aber das darf die Grundrichtung nicht überdecken. Wir sind eine Partei der Mitte. Und wir sind eine proeuropäische, gestaltende Kraft.

Der frühere Landtagspräsident Alois Glück sagt, die CSU sei in vielen Bereichen zu wenig präsent: in Ökologie, sozialen Fragen, Kirchenmilieu. Hat er Recht?

Tatsächlich hat die CSU inhaltlich gar keine großen Streitpunkte. Ob Wirtschaft, innere Sicherheit, Migration – die CSU ist geschlossen. Was wir besser machen müssen, ist unser Umgang mit gesellschaftlichen Gruppen und manchmal der Stil. Wir müssen zum Dialog zurückfinden. Wir brauchen Gesichter fürs Soziale, fürs Kirchliche, für Umwelt - Politiker, die für diese Grundüberzeugungen stehen. Es wird eine große Aufgabe für die CSU sein, das wieder sichtbar zu machen.

Hat sich die CSU zu stark auf die Migrationspolitik konzentriert?

Die Migrationsdebatte war in den letzten drei Jahren das Topthema, es bewegt die Menschen stark. Deshalb war es richtig, das zu akzentuieren. Inzwischen ist zu spüren, dass andere Themen dominanter werden Diesen Themen müssen wir uns wieder stärker zuwenden. Die CSU darf keine Ein-Themen-Partei sein.

Würde es die CSU stärken, wenn das Amt des Ministerpräsidenten und das des Parteichefs wieder in einer Hand lägen? Oder wäre es besser, es bei der derzeitigen Ämteraufteilung zu belassen?

Neuer Versuch, aber ich bleibe dabei: Ich beteilige mich nicht an Personalspekulationen.

Dann brauchen wir auch nicht danach fragen, ob Sie für den Posten des CSU-Chefs zur Verfügung stünden?

Ich müsste mir nur eine neue Formulierung überlegen, um zu sagen, dass ich dazu nichts sage...

Ministerpräsident Söder hat sich für Koalitionsverhandlungen mit den Freien Wählern entschieden. Hätte Schwarz- Grün in Bayern politisch nicht auch einen Reiz gehabt – vielleicht sogar den Charme eines Neuanfangs für die CSU?

Für uns steht im Mittelpunkt, wie wir das, was wir für richtig halten, umsetzen können. Nach der Sondierung ist offensichtlich, dass das mit den Freien Wählern besser gelingt als in anderer Konstellation. Ich denke, das entspricht dem Wählerauftrag. Es ist gute Tradition, dass die zweitstärkste Partei eine starke Oppositionsrolle wahrnimmt, Alternativen aufzeigt. Und es ist gut für die Demokratie.

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