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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier and Polens Präsident Andrzej Duda.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Reparationen und Restitution an jüdische Alteigentümer: Die Furcht vor Trumps Vize und dem E-Wort

Vor dem Gedenken an den Kriegsbeginn am Sonntag in Warschau sind Deutsche und Polen aus ähnlichen Gründen nervös: Fordert der US-Vizepräsident Entschädigungen?

Kurz vor dem gemeinsamen Gedenken an den Kriegsbeginn vor 80 Jahren verbindet Deutschland und Polen eine gemeinsame Sorges: die Sorge vor Donald Trump und seinen unliebsamen Überraschungen bei Redeauftritten. Zwar hat der US-Präsident seine Teilnahme bei der Zeremonie vor dem Grabmal des Unbekannten Soldaten am Pilsudski-Platz im Herzen Warschaus am Sonntagmittag abgesagt, wegen des Hurrikans "Dorian". Er schickt aber seinen Vize Mike Pence - und der folgt in der Regel den Anweisungen seines Bosses.

Die Frage, was Pence wohl sagen wird - und was nicht wesentlich davon abweichen dürfte, was Trump sagen wollte - beschäftigt die Berater der Staatsoberhäupter Polens und Deutschlands, Andrzej Duda und Frank Walter Steinmeier. Besondere Adrenalinstöße löst das „E“-Wort aus: Wird Pence sich in Trumps Auftrag zum Streit um Entschädigungen äußern?

Pence soll als Dritter sprechen, nach Gastgeber Duda und nach Steinmeier. Was beide in die Bredouille bringt, dass sie in ihren Ansprachen nicht darauf reagieren können, was Pence sagt. Für Steinmeier liegt die Herausforderung darin, ob und wie er auf die polnischen Forderungen nach Entschädigungen in dreistelliger Milliardenhöhe für die Gräuel und Zerstörungen durch Wehrmacht, SS und Besatzungsterror in Polen eingehen soll.

Nach dem offiziellen Standpunkt der Bundesregierung ist die Frage der Reparationen juristisch abgeschlossen. Es bestehen keine rechtlichen Ansprüche mehr. Moralisch und politisch ist die Sache nicht so einfach. Steinmeier kann die Polen - wie kürzlich die Italiener - nur darum bitten, mehr nach vorne zu schauen in die gemeinsame europäische Zukunft und weniger zurück in die bedrückende Vergangenheit.

Was aber wäre, wenn Pence die polnische Forderung aufnimmt? In der Vergangenheit haben US-Botschafter in Warschau Polen davon abgeraten, dieses Kapitel noch einmal aufzuschlagen. Auch bei den Nachbarn, ob Tschechen, Balten oder Ukrainer, findet Polen keine Unterstützung. Nur: Bei der Trump-Regierung weiß man ja nie.

Die USA fordern, Polen soll jüdische Alteigentümer entschädigen

Auch für Polen sind Entschädigungsforderungen heikel, freilich ganz andere. Trump sieht sich als Vertreter jüdischer Interessen. Der Vorgabe folgt auch Pence. Die früheren polnisch-jüdischen Eigentümer von Immobilien und anderem Privatbesitz in Polen haben ihr Eigentum nicht zurückerhalten. Trumps Botschafterin in Warschau Georgette Mosbacher, zuvor erfolgreiche Geschäftsfrau in der Kosmetikbranche, hat das Thema seit Amtsantritt im August 2018 vorangetrieben.

Der US-Kongress hatte 2017 den „Justice for Uncompensated Survivors Today Act“ verabschiedet“. Dieser „Just Act“ verlangt Restitution oder Entschädigung für alle, die von der Nazidiktatur oder der kommunistischen Diktatur entschädigungslos enteignet wurden. Vor dem Krieg lebten 3,5 Millionen Juden in Polen, rund elf Prozent der Bevölkerung. Etwa 369.000 überlebten. Nach dem Krieg verstaatlichten die sozialistischen Regierungen städtische Immobilien. Bis heute hat Polen kein umfassendes Restitutions- und Privatisierungsrecht verabschiedet – unter anderem wegen der Komplikationen durch jüdisches Alteigentum.

Bedingungen für "Fort Trump"

Eine Kongressdelegation, die Warschau im Frühjahr besuchte, machte eine Entschädigungslösung zur Bedingung dafür, dass die USA Truppen nach Polen verlegen. Umgekehrt versuchen Polens Präsident und Regierung Trump die Truppenverlegung mit dem Versprechen schmackhaft zu machen, für sie einen Stützpunkt mit dem Namen „Fort Trump“ zu bauen.

Wenn Pence in seiner Gedenkrede die Frage der Entschädigungen für Juden anspricht, würde das einen Schatten auf das von der PiS-Regierung bevorzugte Bild werfen, dass Polen ein idealer Verbündeter der USA sei und es eigentlich keine bilateralen Streitfragen gebe.

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