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Die Opfer der Terroristen werden beerdigt.

© Audu Marte,AFP

Massaker in Nigeria: Reisbauern die Kehle durchgeschnitten

Nigeria steht nach einem Massaker der Terrorgruppe Boko Haram unter Schock. Das Verbrechen zeigt die Hilflosigkeit der Regierung.

Wenn es um die Brutalität der Boko-Haram-Sekte geht, sind die Nigerianer einiges gewohnt. Doch die jüngste Attacke der islamistischen Extremisten überstieg alles bisher Dagewesene. Im Borno-Staat im Nordosten des Landes mischten sich Sektenmitglieder unter die Arbeiter einer Reis-Plantage, die wenige Tage zuvor einen Boko-Haram-Kämpfer dingfest gemacht und an die Sicherheitskräfte ausgeliefert hatten.

Auf den Reisfeldern zückten die Milizionäre plötzlich ihre versteckten Waffen und fesselten die überrumpelten Feldarbeiter. Ein Landarbeiter nach dem anderen wurde in eine nahegelegene Scheuer geführt, wo ihnen ein Extremist die Kehle durchschnitt. Am Ende lagen 43 Leichen in der Scheune. Um die bestialische Prozedur abzukürzen, wurden 33 weitere Farmarbeiter auf dieselbe Weise in den Feldern abgeschlachtet. Ein gutes Dutzend weiterer Männer und mindestens zehn Frauen haben die Milizionäre schließlich mit sich genommen.

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„Hattet ihr etwa gedacht, unseren Bruder an die Polizei ausliefern und danach weiter in Frieden leben zu können?“, fragte eine vermummte Gestalt höhnisch in einem wenige Tage später versandten Bekenner-Video. Vermutlich handelt es sich dabei um den Sektenchef Abubakar Shekau: „So wird es allen ergehen, die uns verraten.“

Das Verbrechen müsse vor ein nigerianisches Gericht gebracht werden, meldete sich Fatou Bensouda, die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshof, zu Wort: „Andernfalls wird mein Amt den Fall aufgreifen müssen.“ Im bevölkerungsreichsten Staat Afrikas landen derartige Verbrechen nur selten vor dem Richter. Sie werden, wenn überhaupt, auf dem Schlachtfeld beglichen. Dort verloren in den vergangenen zehn Jahren bereits mehr als 36 000 Menschen ihr Leben. Vor allem Zivilisten. Sie sehen sich vor die tödliche Alternative gestellt, „sich in Sicherheit zu begeben und zu verhungern“ oder „ihre Felder zu bearbeiten und von den Aufrührern getötet zu werden“, klagte der Gouverneur der Borno-Provinz, Babagana Zulum, beim Begräbnis der Massaker-Opfer.

Söldner sollen den Krieg beenden, sagen einige

Die Bevölkerung wird sowohl von den Extremisten wie den Sicherheitskräften bezichtigt, mit der jeweils anderen Seiten zusammen zu arbeiten. In beiden Fällen müssen die Bezichtigten wie die 76 Farmarbeiter mit dem Tod rechnen. Nigerias Militär behauptet seit Jahren, die Sekte „praktisch besiegt“ zu haben – die Wirklichkeit beweist das Gegenteil. Weil es den Soldaten partout nicht gelingt, die Region von der Größe Bayerns flächendeckend zu sichern, hat die Armeeführung inzwischen ihre Strategie geändert. Sie richtet große Flüchtlingslager ein, in denen die Bevölkerung kaserniert und einigermaßen erfolgreich bewacht wird.

Das Land wird indessen der Sekte überlassen. Die Extremisten errichten Straßensperren, an denen sie von Bauern und Händlern Steuern erpressen. Außerdem treiben sie von Dorfbewohnern Schutzgelder ein, mit denen sie ihre Kämpfer finanzieren. Die Armee scheint ihre Niederlage inzwischen einzugestehen. Der Bürgerkrieg könne noch „zwanzig Jahre lang“ weitergehen, erklärte Armeechef Tukur Yusuf Buratai nach dem Massaker in den Reisfeldern. Jetzt fordern einige Politiker, gegen die Sekte erneut ausländische Söldner einzusetzen. Eine von ehemaligen Mitgliedern der südafrikanischen Apartheidarmee befehligte Truppe hatte den Extremisten vor fünf Jahren die einzigen empfindlichen Niederlagen beigebracht.

Johannes Dieterich

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