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Matteo Salvini.

© Reuters/ Alessandro Garofalo

Regionalwahlen in Italien: Rechtspopulist Salvini verliert und verfehlt überraschend klar sein Ziel

Die Prioritäten der Wähler haben sich verändert, populistische Radikalforderungen verfangen weniger als vor der Corona-Pandemie.

Ein klares 6:0, das war das erklärte Ziel Salvinis vor den Regionalwahlen gewesen. Herausgekommen ist jetzt ein 3:3, wie sich nach der Bekanntgabe der Ergebnisse zeigt. Die vom rechtspopulistischen und europafeindlichen Lega- Chef angeführte Mitte-Rechts-Koalition hat im Veneto, in Ligurien und in den ostitalienischen Marken gewonnen, die Linke in der Toskana, in Kampanien und in Apulien.

Für Salvini besonders bitter ist das Resultat in der Toskana, wo er zum Sturm auf die traditionelle rote Hochburg geblasen hatte und klar verlor – wie schon im vergangenen Januar in der ebenfalls roten Emilia-Romagna, wo er ebenfalls kläglich gescheitert war.

Salvini hat letztlich auch in den drei Regionen verloren, in denen er siegte. Im Veneto ist sein Parteifreund Luca Zaia, genannt der „Doge“, mit 76 Prozent der Stimmen als Regionalpräsident wiedergewählt worden. Dessen persönliche Liste vereinte dreimal mehr Stimmen auf sich als die offizielle Liste der Lega, auf der das Logo mit dem Namen Salvinis prangte.

Zaias gilt intern seit Längerem als möglicher Nachfolger Salvinis an der Spitze der Partei. Jetzt wird sich die Personaldiskussion innerhalb der Lega zwangsläufig verschärfen. Salvinis Position wird zudem geschwächt, weil sich der Ex-Innenminister wegen seiner früheren „Politik der geschlossenen Häfen“ in Kürze einem Prozess wegen Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch stellen muss.

In den Marken wiederum siegte die Rechte mit Francesco Acquaroli. Der ist nicht Mitglied der Lega, sondern der postfaschistischen Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni. Die 43-jährige Römerin, die Salvini in den Umfragen immer näher kommt, ist die eigentliche Siegerin im Lager der Rechten. Sie kann darauf verweisen, dass „unsere Partei die einzige politische Kraft ist, die in allen Regionen an Stimmen zulegen konnte“. Die Lega wiederum musste vor allem in Süditalien zum Teil herbe Stimmenverluste einstecken. Auch in Ligurien siegte mit Giovanni Toti nicht ein Lega-Mann, sondern ein „Ex-Berlusconiano“. Der Führungsanspruch Salvinis wackelt.

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In der ersten Wahl nach dem Lockdown haben die Italiener jenen Kandidaten vertraut, die das Land unaufgeregt und umsichtig durch die Pandemie geführt haben und die nicht, wie Salvini, permanent zwischen entgegengesetzten, populistischen Radikalforderungen hin und her geschwankt sind.

Die Prioritäten der Wähler haben sich verändert. Sie sind sich bewusst geworden, dass ihr Land neben den Migranten und den EU-Bürokraten auch noch andere Probleme zu lösen hat - allen voran den Wiederaufbau des kaputtgesparten Gesundheitswesens, die steigende Arbeitslosigkeit und die sichere Rückkehr der Kinder an die Schulen.

Ausgezählt: Es waren die ersten Wahlen in Italien seit Beginn der Corona-Pandemie.
Ausgezählt: Es waren die ersten Wahlen in Italien seit Beginn der Corona-Pandemie.

© dpa/ Andrew Medichini

Nach 35.000 Corona-Toten sind die Zeiten, als Salvini die italienische Politik fast nach Belieben dominierte und die Frontseite der US-Zeitschrift „Time“ zierte („The new face of Europe“, September 2018), nur noch eine verblassende Erinnerung.

Für Ministerpräsident Giuseppe Conte und seine Regierungskoalition aus der Fünf-Sterne-Protestbewegung und dem sozialdemokratischem Partito Democratico (PD) sind die Ergebnisse der Regionalwahlen dagegen zweifellos eine gute Nachricht. Die von Salvini im Falle eines 6:0 geforderten Neuwahlen sind für längere Zeit vom Tisch.

Aufatmen konnte insbesondere auch PD-Chef Nicola Zingaretti, der im Fall einer Niederlage seines Kandidaten in der Toskana seinen Posten als Parteichef wohl los gewesen wäre. Die Gewichte innerhalb der Regierung haben sich zugunsten des PD verschoben, zumal der Fünf-Sterne-Koalitionspartner in den Regionalwahlen einmal mehr katastrophal abgeschnitten hat.

70 Prozent der Italiener stimmen für Reduktion der Abgeordnetenzahl

Doch Grund zur Selbstzufriedenheit haben weder Conte noch Zingaretti. Das gleichzeitig mit den Regionalwahlen durchgeführte Referendum über die Verkleinerung des Parlaments hat gezeigt, dass die Politikverdrossenheit in Italien trotz der von der Regierung alles in allem gut gemanagten Pandemie nach wie vor groß ist.

70 Prozent der Italiener haben der Reduktion der Zahl der Abgeordneten von 630 auf 400 und der Senatoren von 315 auf 200 zugestimmt. Das ist ein Denkzettel für alle Politiker. Die Wähler haben die Volksabstimmung dazu genutzt, ihren Unmut über die Ineffizienz des Politikbetriebs, über Korruptionsskandale, Selbstbereicherung und jahrelang aufgeschobene Reformen auszudrücken.

Conte und seine Minister wären gut beraten, wenn sie die Botschaft des Referendums ernst nähmen, meinen Beobachter. Die zu erwartenden, gewaltigen Mittel aus dem Recovery Funds der EU – für Italien sind über 200 Milliarden Euro reserviert, mehr als für jedes andere EU-Mitglied – stellen eine einmalige Chance dar, Italien mit gezielten Reformen zu modernisieren, wirtschaftlich wieder in Schwung zu bringen und zukunftstauglich zu machen. Sollte die Regierung diese Chance nicht nutzen, dann könnte sich der Wind in Italien schnell wieder drehen – und Salvini könnte erneut Machtpositionen bekommen. Und wenn nicht er, dann Giorgia Meloni.

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