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EU-Flagge auf brüchiger Wand.

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Rechtsstaatlichkeit: Ein Expertenrat täte der EU gut

Manfred Weber und Udo Di Fabio wollen das EU-Rechtsstaatsverfahren reformieren. Ihr Vorschlag könnte den Meinungskampf versachlichen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Mitglied der Europäischen Union werden zu wollen, stellt Staaten, die hinein wollen in den Klub, vor schwere Aufgaben. Diese müssen, Kapitel für Kapitel, abgearbeitet werden. Ganz am Ende stehen die sogenannten Kopenhagener Kriterien. Da geht es neben wirtschaftlichen Fragestellungen auch um ganz Grundsätzliches, wie die Einhaltung der Menschenrechte, den Schutz von Minderheiten und die demokratische und rechtsstaatliche Grundordnung. Erst wenn diese Anforderungen erfüllt sind, steht der Mitgliedschaft nichts mehr im Wege.

Ist ein Staat aber erst einmal drin in der Union, kann er kaum wieder rausgeworfen werden. Er dürfte sie verlassen, wie es die Briten gerade versuchen. Aber selbst wenn ein Land den Weg der Rechtsstaatlichkeit verlässt, drohen ihm allenfalls wirtschaftliche Sanktionen oder Strafen bis zum vorübergehenden Entzug des Stimmrechts. Die Gründer der Europäischen Union haben einfach nicht damit gerechnet, dass ein Staat in ihren Reihen undemokratisch wird. Der Artikel sieben des Unionsvertrages sieht zwar Sanktionen vor, aber denen müssten alle Mitgliedsländer, bis auf den betroffenen Staat, zustimmen.

Amm Beispiel Ungarns, das nach Meinung vieler, vor allem westeuropäischer, EU-Mitglieder mit seiner Medienpolitik und dem Vorgehen gegen politisch Andersdenkende gegen das Gebot der Rechtsstaatlichkeit verstößt, sieht man gerade, wie schwer durchsetzbar Sanktionen wären. Denn Ungarn fand einen Partner im Geiste. Die polnische Regierung hat bereits signalisiert, dass sie einem Verfahren gegen Ungarn nicht zustimmen würde. Damit wäre das erledigt.

Aus dem politischen Stellungskrieg heraushalten

Der frühere deutsche Verfassungsrichter Udo Di Fabio und der Spitzenkandidat der Europäischen Volksparteien bei den EU-Wahlen, Manfred Weber, haben jetzt für solche Fälle in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die Einsetzung eines überparteilichen Expertengremiums vorgeschlagen. In regelmäßigen Abständen, etwa alle zwei Jahre, soll es für alle Mitgliedsstaaten die Einhaltung grundlegender rechtsstaatlicher Prinzipien prüfen.

Die Europäische Kommission könnte, so meinen die Verfasser, einen solchen Rat „anerkannter Richterpersönlichkeiten“ für eine längere Amtszeit einsetzen. In einer der frühen Fassungen des Artikels sieben des Unionsvertrages sei ein solches Gremium bereits erwähnt worden, erinnern Di Fabio und Weber. Zweifellos hat der Vorschlag eines solchen Monitoring-Prozesses den Vorteil, dass ihm jeder Mitgliedsstaat unterworfen wäre. Es müsste also nicht erst zu einem förmlichen Anklageverfahren kommen. Ähnlich wie bereits jetzt durch die Kommission Verstöße, etwa gegen Umweltrichtlinien, registriert werden, könnte dieser „Rat der Weisen“ aus dem politischen Stellungskrieg der Mitgliedsstaaten herausgehalten werden.

Gut erinnerlich ist ja noch, wie 2003 der damalige französische Staatspräsident Jacques Chirac von den osteuropäischen Beitrittskandidaten in scharfem Tone „Respekt“ verlangte, nur, weil die sich in der Irakkrise mit der US-amerikanischen Position identifiziert hatten. Auch jetzt werden die Vorwürfe gegen Ungarn und Polen, so berechtigt sie in der Sache sein mögen, von politischen Differenzen überlagert, die mit dem eigentlichen Gegenstand des Streits wenig zu tun haben. Die Umsetzung des Vorschlags könnte also durchaus ein Mittel sein, sachliche Vorwürfe vom politischen Meinungskampf zu trennen.

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