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Protest auf der Themse. Britische Fischer demonstrierten 2016 in der Nähe des Londoner Parlaments für den EU-Austritt.

© picture alliance / dpa

Handelsgespräche zwischen London und der EU: Raus aus der Sackgasse

An diesem Montag empfängt Kanzlerin Angela Merkel den EU-Chefverhandler Michel Barnier. Lenkt die EU anschließend beim Fischereistreit mit Großbritannien ein?

Als Angela Merkel (CDU) am vergangenen Freitag am Ende des EU-Sondergipfels in Brüssel auf den Brexit zu sprechen kam, sagte sie, sie könne „selbstverständlich“ keinen Durchbruch bei den laufenden Handelsgesprächen verkünden. Das war keine Überraschung. Aufhorchen ließ hingegen ein Hinweis der Kanzlerin zur Fischerei – also jenem Konfliktpunkt, der die gegenwärtigen Gespräche zwischen London und Brüssel ganz besonders belastet.  

Die EU fordert auch für die Zukunft großzügige Zugangsrechte ein

Es hakt beim Streit um den Zugang zu den britischen Hoheitsgewässern. Denn der britische Premier Boris Johnson will sicherstellen, dass Fischer von der Insel nach dem Ende der Übergangsphase ab Anfang des kommenden Jahres den Großteil des Fischs in britischen Gewässern fangen können. Die EU fordert hingegen auch für die Zukunft großzügige Zugangsrechte ein.  

Kanzlerin lobt Vereinbarung zwischen London und Oslo

Merkel erklärte nun mit Blick auf den zähen Streit, die Einigung der Briten mit Norwegen bei der Fischerei zeige, „dass man auf einem konstruktiven Pfad ist“. Die Vereinbarung zwischen Oslo und London sei ein Beleg dafür, „dass man Einigungen finden kann“. In der zurückliegenden Woche hatten sich Großbritannien und das Nicht-EU-Mitglied Norwegen auf ein Abkommen geeinigt, das den Gewässerzugang und die Fangquoten regelt. 

Macron dürfte die Äußerung Merkels nicht gefallen

Dass Merkel das norwegisch-britische Abkommen lobt, dürfte vor allem dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron nicht gefallen. Frankreich setzt sich unter den 27 EU-Staaten besonders vehement für den Zugang von Fischern aus der EU zu britischen Gewässern ein. Als zu Beginn der zurückliegenden Woche eine Rats-Arbeitsgruppe der 27 Staaten in Brüssel tagte, mahnte Frankreich mit der Unterstützung Dänemarks und Irlands die EU-Kommission, gegenüber London hart zu bleiben. So pocht Paris weiterhin darauf, dass französische Fischer auch künftig im Ärmelkanal innerhalb der britischen Sechs-bis-Zwölf-Meilenzone Zugang haben müssen. 

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Die Fischerei hat zwar nur einen marginalen Anteil an der Wirtschaftsleistung Großbritanniens. Aber dennoch ist der Streit um die künftigen Fangquoten politisch aufgeladen. Nicht nur Macron, sondern auch Johnson steht unter Druck. Denn nicht zuletzt den Fischern hat es der heutige Regierungschef zu verdanken, dass das EU-Referendum 2016 zu Gunsten des Austritts ausging. 

Am Sonntag hob Johnson dann auch wieder in einem BBC-Interview hervor, dass Großbritannien künftig die Souveränität über die eigenen Fanggründe erlangen müsse. Anderenfalls, so drohte er, könne das Vereinigte Königreich auch sehr gut ohne ein Handelsabkommen mit der EU leben.  

Die von Merkel gelobte Einigung mit Norwegen dient wiederum auf der Insel Interessenvertretern wie dem Dachverband der Vereinigungen britischer Fischer als Beleg dafür, dass die EU in diesem Punkt überhart auftritt. Schließlich, so wird in London argumentiert, erlaube das Abkommen mit Oslo die Kontrolle über die eigenen Fanggründe. 

EU-Chefverhandler Michel Barnier wird an diesem Montag von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin empfangen.

© dpa

Das Thema der Fischerei dürfte eine Rolle spielen, wenn Merkel an diesem Montag in Berlin den EU-Chefverhandler Michel Barnier empfängt. Das Treffen findet zwei Tage nach einem Telefonat zwischen Johnson und Ursula von der Leyen statt. Anschließend hatte es in einer knappen Erklärung des Premiers und der EU-Kommissionschefin geheißen, dass die Verhandlungen über den künftigen Handelsvertrag jetzt intensiviert werden sollen, um die bestehenden Knackpunkte zu beseitigen. Neben dem Streit um den Zugang zu den britischen Hoheitsgewässern sind auch faire Wettbewerbsbedingungen und der künftige Mechanismus zur juristischen Schlichtung umstritten. Die so genannte Governance kommt im Streitfall ins Spiel, wenn der geplante Handelsvertrag von einer der beiden Seiten nicht eingehalten wird. 

Uneinigkeit über den Fahrplan für die kommenden Wochen

London und Brüssel sind nicht nur über die Inhalte der geplanten Wirtschaftsvereinbarung uneins. Auch beim Verhandlungs-Zeitplan für die kommenden Wochen fehlt der Konsens: Während Johnson eine Einigung möglichst schon bis zum nächsten EU-Gipfel Mitte Oktober erzwingen will, peilt die EU erst für Ende des Monats eine Lösung an. Klar scheint indes: Nachdem die Verhandlungen über Monate hinweg in der Sackgasse steckten und sich eher mit technischen Punkten befassten, geht diese Phase nun zu Ende. Johnson und von der Leyen müssen demnächst politisch entscheiden, in welchen Punkten sie jeweils nachgeben oder hart bleiben wollen.  

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