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Der russische Präsident Vladimir Putin nimmt an einer Videokonferenz teil.

© AFP/Sputnik/Mikhail Klimentyev

Ukraine-Invasion Tag 182: Putin hat sich nicht nur in den Ukrainern getäuscht, sondern in den Europäern

Sechs Monate Krieg, weitere Milliardenhilfe für Kiew, der Kreml hofft auf kalten Winter. Der Überblick am Abend.

Sechs Monate tobt der Krieg in der Ukraine nun schon. Der Schock der ersten Tage, dass in Europa wieder ein großer Krieg stattfindet, ist verflogen. Er ist Anteilnahme und Engagement in großen Teilen der westlichen Demokratien für das Land gewichen. Neben vielen Fehlern, die Putin in Hinblick auf die Ukraine begangen hat, hat er sich auch im Westen getäuscht.

Im Kreml hofft man laut einem aktuellen Bericht auf einen harten Winter. Die Energieknappheit werde die Unterstützung für die Ukraine bröckeln lassen. Es werde Unruhen und Proteste geben, die die westlichen Regierungen unter Druck setzen. Blickt man auf die Umfragen in Deutschland, gibt es zu dieser Hoffnung kaum Anlass. Eine große Mehrheit unterstützt die weitere Unterstützung für die Ukraine, auch wenn es das eigene Portemonnaie trifft. 

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Angesichts von zehntausenden Toten in der Ukraine sind die hiesigen Finanzprobleme natürlich klein; dennoch sollte man die Belastungen für viele Bürger, die der Krieg bringt, nicht klein reden. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die deutsche Russland-Politik der vergangenen Jahre einen entscheidenden Anteil an den aktuellen Problemen hat. 

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Aber die Ukraine wird auch zeigen müssen, dass sie Russland in absehbarer Zeit besiegen kann . Weil, das ist auch klar, über mehrere Jahre wird der Westen die Unterstützung nicht leisten können und wollen. Das weiß auch Kiew. Der US-Experte Michael Kofman glaubt deshalb, dass Kiew seine große Offensive im Süden des Landes bald beginnen wird. Er erkennt hinter den Ereignissen der vergangenen Wochen, den Schlägen gegen russische Stellungen hinter der Front, einen ausgeklügelten Plan. Gelingt die Offensive, wäre das ein entscheidender Schlag, um Putins Pläne für die Ukraine zu vereiteln - und für die Moral der russischen Truppen. 

DIE WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • Strenge Winter haben Russland bereits geholfen, Napoleon und Hitler zu besiegen. Auch jetzt hofft die russische Regierung zwei Kreml-Insidern zufolge auf einen harten Winter mit Energieengpässen in Europa. Das könnte den Druck auf die Ukraine erhöhen, den mittlerweile seit einem halben Jahr tobenden Krieg zu beenden - zu russischen Konditionen. "Wir haben Zeit, wir können warten", sagt eine Quelle aus dem Umfeld russischer Behörden, laut Reuters. "Es wird ein schwieriger Winter für die Europäer." Es könne Proteste und sogar Unruhen geben. Manche Regierungschefs würden dann womöglich umdenken, die Unterstützung für die Ukraine zurückfahren und auf eine Abmachung mit Russland drängen. Mehr in unserem Newsblog. 
  • Anlässlich des ukrainischen Unabhängigkeitstags hat Präsident Wolodymyr Selenskyj in der Hauptstadt Kiew den britischen Premierminister Boris Johnson empfangen. Dabei sagte Johnson der Ukraine weitere Militärhilfe im Volumen 54 Millionen Pfund (rund 64 Millionen Euro) zu. Das Paket umfasst den Angaben zufolge 2000 Drohnen und Lenkwaffen, die es dem ukrainischen Militär ermöglichen sollen, die russischen Invasionstruppen besser zu bekämpfen und ihre Bewegungen genauer zu verfolgen.
  • Der Russland-Verbündete Belarus hat der Ukraine überraschend zum Unabhängigkeitstag gratuliert und sich damit eine harsche Abfuhr aus Kiew eingehandelt. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko schreibt auf seiner Website, er wünsche den Ukrainern "friedliche Himmel, Toleranz, Mut, Stärke und Erfolg bei der Wiederherstellung eines anständigen Lebens". 
  • Zum 31. Unabhängigkeitstag haben Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine Frau Olena in Kiew an einem „Gebet für die Ukraine“ mit Vertretern aller Glaubensrichtungen teilgenommen. Dem ukrainischen Volk werde Kraft bei den schweren Proben und das baldige Eintreten von Frieden gewünscht, hieß es in einer Mitteilung des Präsidentenbüros in Kiew vom Mittwoch. Der Tag fiel mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges vor sechs Monaten, am 24. Februar, zusammen.
  • Trotz des seit sechs Monaten andauernden Krieges gegen die Ukraine hat Russland laut Kremlchef Wladimir Putin noch genug Kapazitäten, um andere Krisen im Land zu bewältigen. Derzeit konzentriere das ganze Land seine Aufmerksamkeit auf „die Ereignisse“ in der Ukraine, sagte Putin am Mittwoch bei einer Besprechung zur Bekämpfung von Waldbränden. „Aber das Leben geht weiter, es kommen andere Probleme auf. Ich möchte anmerken und betonen, dass zur Reaktion auf solche Notfallsituationen alle nötigen Mittel, Kräfte und Ressourcen da sind“, sagte Putin. „Hier gibt es keinerlei Probleme.“
  • Die US-Regierung hat der Ukraine weitere Hilfen in Milliardenhöhe zur Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg zugesagt. US-Präsident Joe Biden kündigte am Mittwoch in Washington Unterstützung für Kiew im Umfang von knapp drei Milliarden US-Dollar (drei Milliarden Euro) an. 
  • EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat der Ukraine zum Unabhängigkeitstag Unterstützung beim Wiederaufbau versprochen. „Gemeinsam werden wir die Städte Stein für Stein wieder aufbauen und die Gärten und Felder Samen für Samen neu anlegen“, sagte sie am Mittwoch in einer Grußbotschaft. Europa stehe heute und langfristig an der Seite der Ukraine.
  • Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist überzeugt, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine nicht gewinnen wird. „Die Ukraine muss sich durchsetzen, und die Ukraine wird sich durchsetzen“, sagte der Norweger in einer am Mittwoch veröffentlichten Grußbotschaft zum Unabhängigkeitstag des Landes. Die Nato werde so lange Unterstützung leisten, wie es nötig sei.
  • Der von Russland eingesetzte Leiter der ukrainischen Stadt Mychailiwka ist den örtlichen Behörden zufolge durch eine Autobombe ums Leben gekommen. Iwan Suschko sei bei der Explosion der an seinem Auto angebrachten Bombe schwer verletzt worden und später im Krankenhaus verstorben, schreibt einer der Verwalter der Region Saporischschja, in der die Stadt liegt, auf Telegram.
  • Die britische Regierung hat sich gegen einen grundsätzlichen Stopp von Touristenvisa für Russen ausgesprochen. „Ich bin mir nicht sicher, ob ein generelles Verbot der richtige Weg ist“, sagte Verteidigungsminister Ben Wallace am Mittwoch dem Sender BBC Radio 4. Allerdings sollten die Bedingungen für eine Einreise verschärft werden. 
  • Sechs Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat Moskaus Verteidigungsminister Sergej Schoigu das Vorgehen in dem Land verteidigt. Die „Militäroperation“ laufe nach Plan. „Alle Ziele werden erreicht werden“, sagte Schoigu. Das Tempo der Angriffe habe sich verlangsamt, das sei eine bewusste Entscheidung, um Opfer unter Zivilisten zu vermeiden. „Die Schläge werden mit hochpräzisen Waffen auf Objekte der militärischen Infrastruktur der Streitkräfte der Ukraine ausgeführt.“ Auf Twitter erntet Schoigu für seine Aussage, Opfer unter Zivilisten vermeiden zu wollen Spott und Häme.

HINTERGRUND UND ANALYSE

1. Die Wendepunkte des Krieges: Putins Scheitern in der Ukraine und wie es dazu kam

2. Ukrainischer Unabhängigkeitstag: Die Feier eines neuen Selbstverständnisses

3. Nach sechs Monaten Krieg: Wie viel Rückhalt genießt Präsident Selenskyj in der Ukraine?

4. Die wichtigsten Ereignisse seit der Zeitenwende: Was in Berlin seit Kriegsbeginn in der Ukraine geschah

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