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Prostituierte demonstrieren in Madrid gegen ein mögliches Verbot ihrer Arbeit.

© imago images/Pacific Press Agency

Prostitutionsverbot in Spanien?: „Der Staat will uns unsichtbar machen“

Spaniens Regierung will Prostitution verbieten. Im Parlament gibt es dafür eine Mehrheit. Doch Sexarbeiterinnen sind überzeugt: Das neue Gesetz schadet ihnen.

Von Juan F. Álvarez Moreno

„Wir Huren existieren, sind organisiert und haben eine Stimme. Es ist Zeit, dass sie gehört wird“, sagt Georgina Orellana und schaut dabei in die Kamera ihres Handys. Orellana arbeitet als Prostituierte in Spanien und ist in einem Video zu sehen, in dem sich mehrere Kolleginnen kämpferisch zu Wort melden. „Niemand lebt ohne Rechte besser“, sagt ihre Kollegin Sharon. „Es ist entwürdigend, nur als Opfer zu gelten“, fügt Alexa hinzu. Für sie geht es ums Ganze. Um ihren Job und ihr Einkommen, das sie nun gefährdet sehen.

In Spanien berät das Parlament derzeit über einen Gesetzentwurf, wonach Prostitution verboten werden soll. Versprochen hatte es Premierminister Pedro Sánchez vor einem Jahr. Dem Vorschlag seiner sozialdemokratischen Partei zufolge sollen Bordelle geschlossen und Zuhälter mit höheren Freiheitsstrafen als bisher konfrontiert werden. Auch Freier würden strafrechtlich belangt, mit hohen Bußgeldern.

Prostituierte wie Orellana und ihre Mitstreiterinnen werden nicht kriminalisiert, der Gesetzentwurf sieht sie ausschließlich als „Opfer“. In Spanien gibt es rund 50.000 bis 100.000 Sexarbeiterinnen, laut dem Statistikamt geht es um vier Milliarden Euro Umsatz pro Jahr.

Die freie Berufswahl bei der Prostitution ist ein Mythos, eine Falle.

Laura Berja, Sprecherin für Gleichberechtigung der sozialdemokratischen Fraktion

Das Land folgt einer europäischen Verbotswelle, die 1999 in Schweden startete. Seitdem werden dort die Freier bestraft. 2014 empfahl das Europaparlament den Mitgliedstaaten, dies auch zu tun. 2016 folgte Frankreich der Empfehlung.

Dem entgegen stehen Länder wie Deutschland, in denen Prostitution als legale und regulierte Arbeit gilt. Hierzulande können sich Prostituierte sozialversichern, müssen ihre Tätigkeit aber anmelden, Steuern zahlen und einmal im Jahr eine gesundheitliche Beratung wahrnehmen.

Doch die verschiedenen Systeme schaffen sonderbare Situationen. Jährlich reisen zum Beispiel Tausende Franzosen zum größten Bordell Spaniens, direkt hinter der Grenze.

Kann das neue Gesetz Menschenhandel verhindern?

Im spanischen Parlament zeichnet sich eine große Zustimmung für das Verbotsvorhaben ab. Die regierenden Sozialdemokraten, die Linken und die oppositionellen Konservativen unterstützen den Vorstoß mehrheitlich.

In der Gesellschaft ist der Nutzen eines Verbots allerdings umstritten. 2017 waren laut einer repräsentativen Umfrage zwei Drittel aller Spanier dagegen. Der Änderungsantrag einer Oppositionspartei, die Prostitution als Arbeit regulieren wollte, wurde im September abgewiesen.

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„Der bezahlte Zugang zu Frauenkörpern stellt kein Arbeitsverhältnis dar“, sagt die Sprecherin für Gleichberechtigung der sozialdemokratischen Fraktion, Laura Berja, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Die Prostitution ist nicht kompatibel mit der Gleichstellung von Frauen und Männern.“

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Das Gesetz habe das Ziel, Zuhälterei in jeder Form bekämpfen, was aktuell in Spanien sehr schwierig sei. „Die freie Berufswahl bei der Prostitution ist ein Mythos, eine Falle“, sagt Berja.

Anders sieht es die Gewerkschaft Otras, die Prostituierte vertritt. „Viele haben Angst davor, dass sie aus dem Land ausgewiesen werden, das Amt ihnen ihre Kinder wegnimmt oder die Vermieter ihnen kündigen, um nicht selbst verklagt zu werden“, sagte ihr Sprecher, Miquel Bibiloni.

Das neue Gesetz würde Prostituierten wie ihm schaden und sie in die Illegalität drängen. Zudem würden Freier wegen des hohen Risikos versuchen, die Preise nach unten zu drücken. In Nordirland habe ein Regierungsbericht nach vier Jahren Verbot festgestellt, dass dieses wenig bringe. Er schlägt deshalb die komplette Anerkennung seiner Arbeit als Beruf vor.

Bibiloni bestreitet, dass die Mehrheit der Prostituierten Opfer des Menschenhandels sei. Er verweist auf einen UN-Bericht aus dem Jahr 2010. Demnach sei jede siebte Prostituierte in Europa Opfer von Menschenhandel.

Eine spanische Studie kam 2021 zu ähnlichen Ergebnissen. Und: Das neue Gesetz schütze diese Opfer nicht, ist sich Bibiloni sicher

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