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Bundesfinanzminister Christian Lindner hat bei der Rente Großes vor.

© dpa/Friso Gentsch

Projekt Generationenkapital: Wie Christian Lindner seinen Rentenrettungsplan verkauft

Der Bundesfinanzminister wirbt vor Studierenden für die Kapitaldeckung im Rentensystem. Der Plan klingt gigantisch. Aber was wird daraus werden?

Plant Christian Lindner noch vier weitere Amtsperioden im Bundesfinanzministerium? Oder wechselt er im Fall, dass es nicht klappt, ins Anlagenmanagement? Man hätte das beim Auftritt des FDP-Chefs vor Studenten der Frankfurt School of Finance and Management am Dienstagmittag fast glauben können.

Da erklärte „CL“ – er versteht sich ja schon als eine Marke – den angehenden Ökonomen und deren Professoren, wie er die Rentenversicherung retten will. Oder zumindest ihre Finanzierung so ändern will, dass der nächsten Zahlergeneration der Beitrag nicht über die Ohren wächst.

„Die Freiheit Ihrer Generation wird eingeschränkt“, sagt Lindner den Studierenden mit Blick auf die künftigen Renteneinzahlungen. Aber Lindner, der Retter, steht vor ihnen. Was er braucht? Viel Zeit und sehr viel Geld.

Aktienrente war einmal

Generationenkapital heißt der große Plan mittlerweile, den umzusetzen viele Jahre dauern wird. Lindner hat ihn mit dem FDP-Projekt der Aktienrente in die Politik der Ampel-Koalition eingeschleust, musste dann aber deutliche Abstriche machen. Kein individuelles Ansparen mit Wertpapieren soll es nun sein, sondern eine weitere Säule in der gesetzlichen Rentenfinanzierung, die den Kapitalmarkt nutzt.

Dass Ergebnis ist ein Stiftungsfonds, der so viel Geld für Anlagen bekommen soll, dass in etwa 15 Jahren damit begonnen werden kann, mit der Rendite den Rentenzuschuss aus dem Bundeshaushalt mitzufinanzieren.

Und so erklärt Lindner, wie er mittels eines „Zinsdifferenzgeschäfts“ die nötigen Milliardenerträge erwirtschaften lassen will. Das Geld für das Generationenkapital wird nämlich am Kreditmarkt aufgenommen, in der Annahme oder zumindest der Hoffnung, dass die Anlagen am Aktienmarkt dauerhaft höhere Renditen abwerfen, um so sowohl die Kreditzinsen als auch die Senkung des Rentenzuschusses finanzieren zu können.

Wenn eine Idee gut ist, dann werden andere sie übernehmen.

Christian Lindner, Bundesfinanzminister

Mit zehn Milliarden Euro will Lindner in diesem Jahr starten. Und so soll es jährlich weitergehen. Wobei sich der Finanzminister auch Sacheinlagen als zusätzlichen Renditeturbo vorstellen kann, also vor allem Unternehmensbeteiligungen des Bundes. Ende der 20230er-Jahre soll der Fonds dann erstmals Geld an den Bundesetat ausschütten. Binnen zwölf Jahren, rechnet Lindner den Studenten vor, könne sich das Kapital durch Dividenden und Zinseinnahmen verdoppeln.

Olaf Stotz, einer der Professoren der Wirtschaftshochschule, Experte für Anlagenmanagement und Rentensysteme, rechnet auch vor: Drei bis vier Prozent an Rendite kämen bei dem Modell im Jahr heraus, das Stiftungskapital müsse dann bei 500 Milliarden Euro liegen, um Lindners Ziel zu erreichen, einen Prozentpunkt beim Rentenbeitrag daraus zu finanzieren. Will heißen: Bei jährlichen Tranchen von zehn Milliarden Euro bräuchte man sehr lange, um allein über diesen Weg den nötigen Kapitalstock aufzubauen.

Ansparphase von 15 Jahren

Aber Lindner will schon in 15 Jahren mit dem Ausschütten beginnen. Er hält eine Summe „oberhalb von 350 Milliarden Euro“ für notwendig. Denn seine Renditeerwartungen sind höher als die des Ökonomen. Durch die lange Ansparphase bis dahin können seiner Ansicht nach „Performanceprobleme“, also Kurseinbrüche wie 2022, geglättet werden.

Der Traum des FDP-Chefs lautet: „Wir wollen eine Welt nach Riester und Rürup bauen.“ Eine Welt, in der die kapitalgedeckte Rente wie in anderen Ländern, den USA oder Schweden, in der Altersvorsorge eine nennenswerte Rolle spielt. Und da sollen Aktienanlagen den Großteil der Rendite liefern.

Die Frage, ob denn der Plan nicht scheitern werde, sollten Lindners erster Amtsperiode nicht weitere folgen, beantwortet der Finanzminister so: „Wenn eine Idee gut ist und sich in der Praxis bewährt, dann werden andere sie übernehmen.“ Aber da er nicht leichtgläubig sei, werde über die Stiftungslösung eine Organisationsform weitab der Tagespolitik und des Bundeshaushalts gewählt.

Über Kredite finanziert

Die durch neue Schulden ermöglichte Anschubfinanzierung sei als „finanzielle Transaktion“ ohne Rücksicht auf die Schuldenbremse möglich. Denn mit dieser Kreditaufnahme gehe ein Vermögensaufbau einher; das Geld sei „nicht zum Verjuxen“ da. Eine finanzielle Transaktion, die mit einer Stiftung verbunden sei, lasse sich nicht einfach für andere Zwecke auflösen.

Das angesparte Generationenkapital kann nach Lindners Worten allenfalls zur Tilgung von Schulden genutzt werden, sollte das Projekt irgendwann gestoppt werden. Wer immer Lindner früher oder später im Ministerium nachfolgt, könnte da allerdings schon interessiert sein – bei einem Schuldenberg des Bundes, der sich in Richtung zwei Billionen Euro bewegt, und nunmehr wieder wachsenden Zinslasten.

Dann hätte Lindner den Jüngeren zwar einen schönen Rentenfinanzierungsplan in Aussicht gestellt, tatsächlich aber einer künftigen Regierung eine riesige Rücklage verschafft, um haushaltspolitisch Luft zu bekommen.

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