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Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker und Michel Barnier.

© dpa/ Philipp von Ditfurth

Update

„Problematische Punkte“: EU fordert von Johnson Nachbesserungen zum Brexit-Plan

Die Lösungsvorschläge des britischen Premiers für den Brexit-Streit um die irische Grenze sind kompliziert. Johnson soll nun nachbessern.

Die EU-Kommission fordert Klarstellungen zum neuen Brexit-Vorschlag des britischen Premierministers Boris Johnson. Zu dem Text habe man viele Fragen, sagte eine Kommissionssprecherin am Donnerstag in Brüssel. „Es gibt problematische Punkte im britischen Vorschlag, und mehr Arbeit ist nötig. Diese Arbeit ist vom Vereinigten Königreich zu leisten und nicht andersherum.“

Die EU sei bereit, konstruktiv mit der britischen Seite zusammenzuarbeiten, um einen geordneten britischen EU-Austritt zu bewerkstelligen. Nun zähle aber jeder Tag. Der EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober, bei dem der Brexit im Mittelpunkt stehen könnte, müsse rechtzeitig und gründlich vorbereitet werden.

Zuvor waren die neuen Brexit-Pläne von Boris Johnson in Brüssel und Dublin auf vorsichtige bis skeptische Reaktionen gestoßen. Irlands Regierungschef Leo Varadkar habe den britischen Premierminister in einem Telefonat am Mittwochabend darauf hingewiesen, dass die Vorschläge noch kein vollwertiger Ersatz für den Backstop seien, teilte Dublin mit. Als Backstop wird die Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland im EU-Austrittsabkommen bezeichnet. Johnson fordert, dass sie gestrichen wird.

Der Premier hatte am Mittwoch bei seiner Abschlussrede zum Tory-Parteitag in Manchester Pläne vorgelegt, wie Grenzkontrollen auf der irischen Insel auch ohne Backstop vermieden werden können. Er stellt nun Brüssel vor die Wahl zwischen einem Deal auf dieser Grundlage und einem ungeregelten EU-Austritt am 31. Oktober. Trotz einer skeptischen ersten Bewertung will die Europäische Union über das Konzept verhandeln, um einen Chaos-Brexit abzuwenden.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte bereits nach einem Telefonat mit Johnson, in dessen Vorschlägen steckten „positive Fortschritte“. Doch blieben auch „problematische Punkte“.

Der britische Premierminister Boris Johnson.
Der britische Premierminister Boris Johnson.

© Stefan Rousseau/Pool via Reuters

EU-Chefunterhändler Michel Barnier sagte am Mittwochabend, es bleibe viel Arbeit, um die drei Ziele des Backstops zu bewahren: keine Grenzanlagen, ein gemeinsamer Wirtschaftsraum auf der irischen Insel und Schutz des EU-Binnenmarkts. „Wir werden weiter arbeiten, um eine Einigung zu erreichen“, sagte Barnier. „No-Deal wird niemals die Wahl der EU sein, niemals.

Die Brexit-Steuerungsgruppe im Europaparlament will sich am Donnerstag in einer Erklärung zu Johnsons Vorschlägen äußern – in einer ersten Reaktion hatte der Vorsitzende Guy Verhofstadt schon angedeutet, dass die Abgeordneten das Konzept nicht positiv aufgenommen haben. Nachmittags wollen auch die Botschafter der 27 bleibenden EU-Staaten Johnsons Vorstoß beraten. Zum Showdown kommen soll es beim EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober.

Johnson kündigte unterdessen am Mittwochabend eine weitere kurze Suspendierung des Parlaments in London vom 8. bis 14. Oktober an. Da die Pause im Rahmen des Üblichen liegt, dürfte sie weit weniger umstritten sein als der erste Versuch. Eine von Johnson verhängte fünfwöchige Zwangspause des Parlaments war kürzlich vom Obersten Gericht für illegal erklärt und aufgehoben worden.

Grenzkontrollen gelten in der Region als politisch heikel

Der Backstop sollte dafür sorgen, dass an der inneririschen Grenze keine Waren- und Zollkontrollen notwendig sind. Diese gelten als politisch heikel in der ehemaligen Bürgerkriegsregion. Johnson will als Ersatz eine komplizierte Regelung, die Zollkontrollen erforderlich machen würde, wenn auch nicht direkt an der Grenze.

Boris Johnson schlägt auch vor, dass in Nordirland weiter EU-Standards für Agrarprodukte und andere Waren gelten. Das ist der EU wichtig, um ihren Binnenmarkt zu schützen. Allerdings will Johnson die Entscheidung, wie lange das gilt, in die Hand des nordirischen Regionalparlaments legen. Die Volksvertreter sollen alle vier Jahre entscheiden, ob es dabei bleibt.

Frankreich warnt vor Gefahren für EU-Binnenmarkt

Der Vorschlag ist für die EU schwierig. Dass die nordirische Vertretung immer neu über die Regelung abstimmen soll, könnte auf eine Befristung der Garantie einer offenen Grenze hinauslaufen, die Brüssel immer vermeiden wollte. Auch eine Zollgrenze will die EU nicht. Zollkontrollen weit entfernt von der Grenze, wie Johnson sie vorschlägt, hielt Brüssel bisher für nicht machbar.

Frankreich warnt angesichts neuer Brexit-Vorschläge des britischen Premierministers Boris Johnson indirekt vor Gefahren für den EU-Binnenmarkt. "Ich will keine Steuer-Oase vor den Türen Europas", erklärte die Staatssekretärin für Europäische Angelegenheiten, Amelie de Montchalin, am Donnerstag dem Sender C News. Sie verwies darauf, dass die Verhandlungen mit der britischen Regierung über das Ausscheiden aus der EU wegen der unklaren Haltung des Londoner Parlaments schwierig seien.(dpa, Reuters)

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