zum Hauptinhalt
Die Ausgabe der der türkischen Zeitung „Hürriyet“.

© Sven Lemkemeyer

Presse in der Türkei zu Hanau: „Es reicht!“ – „Rassismus-Virus“ – „Brutstätte der Islamophobie“

Nach dem Attentat von Hanau, bei dem ein Deutscher neun Menschen mit Migrationshintergrund erschoss, ist die Wut in der Türkei groß. Ein Blick in die Presse.

„Es reicht!“ – eine Schlagzeile in deutscher Sprache dominierte am Freitag die Titelseite der türkischen Zeitung „Hürriyet“. Wie viele andere Blätter berichtete „Hürriyet“ ausführlich über den Tod von fünf Türken bei den Morden von Hanau und über die Verunsicherung der türkischen Minderheit in Deutschland wegen der wachsenden Bedrohung durch rechtsextreme Gewalttäter. „Schließlich war das Massaker von Hanau nicht der erste Angriff auf Türken in Deutschland.“

Rathjen soll einen Tatort ausgekundschaftet haben

Die Türken in der Bundesrepublik seien vor den Morden in Hessen noch unter dem Schock der kürzlichen Enttarnung der mutmaßlichen Terrorzelle „Harter Kern“ gewesen, die Anschläge auf Moscheen geplant haben soll. „Hürriyet“ erinnerte die Leser an Terroranschläge der Vergangenheit, darunter die Brandanschläge von Mölln und Solingen sowie die Mordserie der rechtsextremen NSU.

Reporter von „Hürriyet“, deren Deutschland-Ausgabe von vielen Türken in der Bundesrepublik gelesen wird, berichteten ausführlich über die Opfer des Rechtsextremisten Tobias Rathjen. Zwei Türken seien bei Rathjens Überfall auf das Café „Midnight“ getötet worden, zwei weitere starben demnach wenig später in einem türkischen Imbiss. Eine 35-jährige schwangere Frau und Mutter von zwei Kindern wurde laut „Hürriyet“ im „Arena Bar & Café“ neben dem Imbiss erschossen.

„Hürriyet“ meldete auch, der Täter habe die „Arena“-Bar wenige Tage vor dem Anschlag besucht, um sich mit dem späteren Tatort vertraut zu machen. Rathjen habe so getan, als wolle er sich ein Fußballspiel anschauen. Die Zeitung veröffentlichte dazu ein Foto von Rathjen, das „Hürriyet“ zufolge am 15. Februar von einer Kamera in der Bar aufgezeichnet wurde.

Andere Zeitungen lenkten den Blick auf das gesellschaftliche Klima in Deutschland. Die Tat von Hanau sei ein Ergebnis der polarisierenden Rhetorik der Rechtspopulisten, bilanzierte die Zeitung „Karar“. Deshalb stelle sich die Frage, wie viele grausame Gewalttäter es noch gebe, kommentierte „Karar“ unter der Schlagzeile „Rassismus-Virus“. In der Zeitung „Yeni Mesaj“ hieß es, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe mit ihrer Aussage, in der deutschen Gesellschaft existiere das Gift des Hasses, ein „klares Geständnis“ abgelegt.

„Stoppt diesen rassistischen Terror“, appellierte die Zeitung „Yeni Safak“ an die Deutschen. Chefredakteur Ibrahim Karagül schrieb in einem Kommentar, die Bundesrepublik sei zu einer „Brutstätte des Rechtsextremismus und der Islamophobie“ geworden. Karagül warf den deutschen Behörden vor, den Tod von Türken bei Hausbränden in den vergangenen Jahren nicht als Straftaten verfolgt zu haben. Das islamistische Blatt „Yeni Akit“ will hinter den Morden von Hanau eine christlich-fundamentalistische Motivation entdeckt haben: „Terror des Kreuzes von den Nazis“, lautete die Schlagzeile.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false