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Beschädigte Porträtfotos der Ausstellung "Gegen das Vergessen" in Wien.

© Lukas Huter/APA/dpa

Ausstellung „Gegen das Vergessen“: Porträts von NS-Überlebenden in Wien zerstört

In Wien wird die Ausstellung "Gegen das Vergessen" attackiert. Unbekannte zerschneiden Porträts von Zeitzeugen des Nazi-Terrors. Der Künstler ist entsetzt.

Von Oliver Bilger

Die Bilder zeigen Juden, Sinti und Roma und andere, die das Nazi-Regime verfolgte. Sie sind Teil der Ausstellung "Gegen das Vergessen", für die der deutsch-italienische Fotograf und Ausstellungsmacher Luigi Toscano, der ein Jahr lang Zeitzeugen traf, die heute in Deutschland, den USA, der Ukraine, Israel und Russland leben. Seit Anfang Mai sind die Werke im Stadtzentrum von Wien zu sehen.

Dort haben Unbekannte sie in der Nacht nach der Europawahl attackiert. Offenbar mit Messern wurden die übergroßen Porträtbilder aufgeschlitzt. Es war nicht der erste Angriff auf die Schau in Wien.

"Ich bin einfach entsetzt", sagte Toscano dem Tagesspiegel.

Vor dem jüngsten Angriff war es bereits zu zwei Zwischenfällen gekommen. Zwei Tage nach dem Start der Ausstellung wurden mehrere Fotos mit einem Messer zerschnitten. Die Schäden waren allerdings geringer als im jüngsten Fall.

Erst vor wenigen Tagen gab es einen zweiten Angriff, bei dem Unbekannte am frühen Abend mehrere Porträts jüdischer NS-Überlebender und eine Erklärungstafel mit schwarzen Hakenkreuzen und antisemitischen Parolen verunstalteten. Ein vor Ort befindlicher Mitarbeiter Toscanos sah einen Mann, der durch den Volksgarten davonlief, berichtet die Zeitung "Der Standard".

Toscano ist bestürzt über die "Brutalität", die seiner Arbeit in Wien entgegenschlägt. Zwar habe es auch an anderen Ausstellungsorten Beschädigungen gegeben wie Schmierereien, allerdings habe dahinter, anders als in Österreich, keine politische Absicht gesteckt, sagte Toscano. Er erstattete Anzeige bei der Polizei. Die Beamten halten es jedoch für unwahrscheinlich, den Täter zu fassen, erklärte Toscano frustriert. "Wenn Österreich oder die Stadt Wien nicht imstande sind, für ausreichend Schutz zu sorgen, so ist das ein Armutszeugnis", hatte er zuvor dem "Standard" gesagt.

"Österreich was ist los mit dir???", schrieb Toscano auf Facebook. Die derzeit "unruhige" Lage habe die Attacke wohl begünstigt, vermutet er.

Große Solidarität vieler Österreicher

Allerdings freut sich der Künstler über die "immense Solidarität", die er gleichzeitig von vielen Österreichern erfährt: Menschen brachten Blumen zur Ausstellung und erkundigten sich nach Spendenmöglichkeiten. Mehrere Freiwilligen-Organisationen kündigten Mahnwachen rund um die Uhr zum Schutz der Ausstellung ang. Auch der Bundespräsident äußerte sich zu dem Vorfall.

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"Es macht mich tief betroffen, dass die Ausstellung "Gegen das Vergessen" teilweise brutal zerstört wurde. "Ich weiß, dass der allergrößte Teil der österreichischen Gesellschaft einen klaren, ablehnenden Standpunkt zu den NS-Gräueltaten hat", schrieb er auf Twitter. "Dass es welche gibt, die mit der Wahrheit und dem Mahnen, das diese Fotos ausdrücken, nicht umgehen können, ist erschütternd. Es muss für uns Ansporn sein, Empathie und Menschenwürde in das Zentrum von Worten und Taten zu stellen. #NiemalsWieder darf nicht zur Floskel werden – wir müssen es täglich leben!"

Mit dem Projekt "Gegen das Vergessen" will Toscano Menschen Gelegenheit geben, vielleicht zum letzten Mal, ihre ganz persönliche Geschichte zu erzählen. Bei seinen Treffen entstanden mehr als 200 Porträt-Fotos – das Herzstück des Projekts. Sie werden auf öffentlichen Plätzen in Deutschland, der Ukraine und den USA ausgestellt. 2017 und 2018 war die Ausstellung in Berlin zu sehen. Zeitgleich mit Wien findet eine Präsentation in Mainz statt.

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