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Der Gemüsehändler Süleyman Tasköprü wurde am 27. Juni 2001 in Hamburg durch Schüsse der NSU getötet. Damals sahen die Ermittler keinen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund der Tat.

© dpa

Update

37. Verhandlungstag im NSU-Prozess: Polizei ignorierte Hinweise auf auffällige Deutsche am Tatort

Im NSU-Prozess ist am Montag erneut deutlich geworden, dass die Polizei die Möglichkeit eines rechtsextremen Hintergrunds der Taten ausblendete. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt waren 2001 in Hamburg kurz nach dem Mord an einem türkischen Gemüsehändler gesehen worden.

Von Frank Jansen

Der Vater des Toten berichtete von zwei auffälligen Deutschen in der Nähe des Tatorts, doch die Hamburger Polizei sah keine Spur zum Rechtsextremismus. Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München befasst sich der 6. Strafsenat seit Montag mit dem Fall des am 27. Juni 2001 in der Hansestadt erschossenen Lebensmittelhändlers Süleyman Tasköprü – und wieder zeigt sich, dass Ermittler die Möglichkeit eines rassistischen Hintergrund ausblendeten. Den Fall Tasköprü habe eine Abteilung des Landeskriminalamts übernommen, die für Organisierte Kriminalität zuständig sei, sagte ein Polizeibeamter als Zeuge im Gericht. Für eine Spur in Richtung Rechtsextremismus habe es „keinerlei Anhaltspunkte“ gegeben. Das hörten auch der Vater und weitere Angehörige des Ermordeten, die zum Prozess gekommen waren und neben ihren Anwälten saßen.

Erst Anfang September war im Prozess bereits in einem anderen Mordfall die eingeschränkte Wahrnehmung der Polizei deutlich geworden. Eine Zeugin sprach da von zwei Männern mit heller Haut, „nicht südländisch, eher nördliche Region“, die sie kurz nach dem Mord an dem Türken Ismail Yasar im Juni 2005 bei seinem Imbiss gesehen hatte. Die Polizei habe jedoch, sagte die Frau, sie bei den Vernehmungen gefragt, ob sie sich vorstellen könne, „dass die türkische Mafia dahinter steckt“.

Emotionale und finanzielle Belastung für die Angehörigen

In Hamburg hatten die NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mit zwei Waffen ihr Opfer getötet. Die Täter drangen am Vormittag in den kleinen Laden Tasköprüs ein und schossen ihm dreimal in den Kopf. Der Türke war sofort tot. Sein Vater, der auch im Geschäft tätig war und es nur kurz verlassen hatte, fand den in einer Blutlache liegenden Sohn. Ein Rechtsmediziner aus München beschrieb die tödlichen Verletzungen mit grauenhaften Details. Zuvor hatte der Hamburger Polizeibeamte Fotos vom Tatort erläutert. Zu sehen war auch der Leichnam – allerdings bedeckt mit einer Wolldecke, die vermutlich der Vater auf den Sohn gelegt hatte.

Eine Hamburger Polizistin schilderte den Richtern, dass sie noch Jahre nach dem Mord mitbekam, wie sehr die Familie Tasköprü leidet. Den Eltern Tasköprü „ging es körperlich und psychisch sehr schlecht, weil der Sohn erschossen war und die Polizei die Täter nicht ermitteln konnte“. Die Beamtin sprach von einer „Grundbelastung, auch für die Geschwister“ des Mordopfers. Die Familie gab zudem nach der Tat das Lebensmittelgeschäft auf. Der NSU hatte ein Menschenleben vernichtet und damit die Angehörigen auch wirtschaftlich hart getroffen. Bei den acht weiteren Morden an Migranten war es meistens kaum anders.

"Wäre ich bloß nicht weggegangen"

Am Nachmittag trat der Vater des Ermordeten, Ali Tasköprü, als Zeuge auf. Die Täter „haben mir mein Herz abgerissen“, sagte er auf Türkisch mit leiser Stimme, ein Dolmetscher übersetzte. Er sei am Tattag nur eine halbe Stunde nicht im Laden gewesen, „wäre ich bloß nicht weggegangen“. Als er wiederkam, habe er eine dunkle Flüssigkeit gesehen und seinen Sohn gerufen. Dann habe er ihn bei einem Regal am Boden liegen gesehen. „Er hatte keine Blutstropfen mehr in seinem Körper“, sagte Ali Tasköprü. Er habe den Kopf des Sohnes in seinen Schoß gelegt, „er wollte mir was sagen, aber er konnte nicht“. Sein Sohn sei 31 Jahre alt geworden, „was wollten sie von ihm? Was wollten diese Leute von uns?“ Mit dem gesparten Geld seiner Töchter, sagte Ali Tasköprü, habe er das Geschäft gegründet, „damit meine Söhne es betreiben können“. Nach dem Mord habe er den Laden nicht mehr betreten können, selbst wenn er gewusst hätte, dass er in dem Geschäft „Gold verdienen würde“.

Der Vater bekräftigte, dass er kurz vor seiner Rückkehr in den Laden zwei Männer gesehen habe, „zwischen 25 und 35 Jahre alt, es waren junge Leute“. Die Haare seien nicht dunkel gewesen, „ich glaube, nicht südländisch“. Hätte er gewusst, „dass sie die Mörder sind, wäre ich auf sie zugegangen, egal was passiert wäre“. Trotz einiger Erinnerungslücken betonte Ali Tasköprü, „ich weiß es sicher, es waren deutsche Staatsangehörige“.

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