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Georg Bätzing (l), Bischof von Limburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

© dpa

Political Animal: Sind die Kirchen nicht gefragt?

Der Bedeutungsverlust der Kirchen in Deutschland zeigt sich am Gedenktag für die Corona-Opfer. Eine Betrachtung.

Wie es nach Skandalen der jüngsten Zeit um das Renommee der Kirchen bestellt ist, darüber können die katholische und die evangelische gewiss ein Klagelied anstimmen. Denn der Skandal der einen betrifft immer auch die andere.

So ist es zum Beispiel in Sachen Missbrauch. Da gilt der Satz, dass die eine Kirche besser nicht mit dem Finger auf die andere zeigt, weil zugleich drei Finger der selben Hand auf sie zurückweisen. Mit der Aufarbeitung tun sich beide schwer, die evangelische Kirche erscheint manchen sogar hinterher.

Ist das also der Grund – weil die Kirchen sich selbst einen Ansehens- und Bedeutungsverlust zuzuschreiben haben –, dass das Bundespräsidialamt kürzlich den 18. April ohne größere Rücksicht auf sie zum Gedenktag für die Opfer der Corona-Pandemie ausgerufen hat?

Das wäre umso bemerkenswerter, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ja selbst schon einmal designierter Präsident des Evangelischen Kirchentags war und sein Staatssekretär Stephan Steinlein studierter Theologe ist, damals am Sprachenkonvikt in Ost-Berlin.

Es hat die Kirchen jedenfalls hellhörig gemacht. Die Reaktionen reichen von Verunsicherung bis Unmut. Es wirke, als solle an einem Sonntag mit einem säkularen Akt ein quasi-religiöses Ereignis geschaffen werden, lautet eine Kritik.

Einfach übergangen

Dass die jeweiligen Oberhirten, Heinrich Bedford-Strohm für die EKD, die Protestanten, und Georg Bätzing für die katholische Bischofskonferenz, womöglich weniger bedeutsam sind als manche ihrer Vorgänger – damit werden sie für sich zurechtkommen müssen. Dass aber ihre Institutionen bei der Planung für den 18. April übergangen wurden, ist eine andere Kategorie. Sind sie nicht gefragt?

Für beide Kirchen ist das Datum schwierig. Einmal wegen der Erstkommunion, die in diesen Tagen des Aprils stattfindet und für die Katholiken als Familienfest nach wie vor sehr wichtig ist, wie auch die gleichfalls stattfindende Konfirmation für die Protestanten. Hinzu kommt: Der 18. April ist der Tag, an dem 1521 Martin Luther seine Verteidigungsrede auf dem Reichstag zu Worms hielt. Danach wurde er von Kaiser Karl V. geächtet, war „vogelfrei“, erhielt aber freies Geleit.

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Diese Rede vor genau 500 Jahren gehört ganz unbedingt zum Gründungszusammenhang der evangelischen Kirche und wird von ihr entsprechend gewürdigt. Dieses Jahr sogar in ökumenischer Verbundenheit, was als herausragende Wegmarke angesehen wird.

Nur nicht notwendigerweise von den Verfassungsorganen der Bundesrepublik. Der evangelische Bundespräsident, der mit einer Katholikin verheiratet ist, kann nicht am ökumenischen Gottesdienst in Worms, vorgesehen für 12 Uhr, teilnehmen.

Kanzleramt fühlt sich überfahren

Eine Teilnahme am zeitgleichen Gedenken für die Corona-Opfer in Berlin wird wiederum für die Repräsentanten der beiden großen Kirchen so nicht ganz einfach werden. Hinzu kommt, dass ihr Platz dabei nicht ganz klar wäre; offensichtlich ginge es nicht über bloße Anwesenheit hinaus. Sie gedenken ihrerseits bereits in den Gottesdiensten der Opfer.

Die anderen großen Verfassungsorgane tun mit, Bundestagspräsident, Bundesratspräsident, Bundeskanzlerin, Bundesverfassungsgerichtspräsident. Dass sich das Kanzleramt von der Terminansetzung durch das Bundespräsidialamt überfahren fühlte, wie zu hören ist, spielt da eine eher untergeordnete Rolle.

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