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Versuch einer Annäherung - ohne Maskierung: Polens Präsident Andrzej Duda bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel am Montag.

© John Thys/Pool via REUTERS

Brüssel behält erstmals Hilfsgelder ein: Polen gibt nach, die EU schlägt zurück

Präsident Duda kam mit dem Olivenzweig nach Brüssel, nun eskaliert die Kommission einen Streit, der die EU zu lähmen droht. Eine Analyse.

Auf den ersten Blick deutet vieles auf ein Einlenken im Streit zwischen Polen und der EU-Kommission um den Vorrang europäischen Rechts hin. Dann bliebe ein Konflikt, der die Entscheidungsabläufe lähmen könnte, der EU erspart.

Präsident Andrzej Duda sprach am Montag in Brüssel mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, wie die Eskalation vermieden werden kann.

Den einen Streitfall, den Konflikt mit Tschechien um fehlende Umweltprüfungen bei der Genehmigung des Kohletagebaus in Turow nahe der Grenze, haben die beiden Staaten beigelegt. Polen zahlt 45 Millionen Euro Entschädigung an Tschechien. Die Regierung in Prag hat dafür die Klage am Europäischen Gerichtshof (EuGH) zurückgezogen. Damit sind die Akten geschlossen, so könnte man denken.

Auch im anderen, größeren Streitfall, der polnischen Justizreform, kündigt Duda ein Nachgeben an. Er werde ein Gesetz zur Auflösung der umstrittenen Disziplinarkammer für Richter in das polnische Parlament einbringen.

Die Kammer stand im Zentrum der Bewertung des EuGH, in Polen sei die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr, weil die Regierung über die Kammer unliebsame Richter maßregeln könne, im Extremfall bis zu ihrer Versetzung oder Enthebung aus dem Amt.

Die Klage ist zurückgezogen. Warum Geld eintreiben?

Auf den zweiten Blick ist die erhoffte Entspannung nicht so klar. Am Dienstag kündigte Haushaltskommissar Johannes Hahn an, er werde Zwangsgelder, die die EU wegen Nichtbeachtung der EU-Vorgaben zum Tagebau Turow gegen Polen verhängt hatte, ungeachtet der Einigung zwischen Warschau und Prag einbehalten. Das eine Premiere für die EU.

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Es geht um 500.000 Euro pro Tag seit Oktober 2021. Hahn will in einem ersten Schritt 15 Millionen Euro – die Summe für einen Monat – von EU-Zahlungen an Polen abziehen. Dagegen hat wiederum Polen eine Klage angekündigt.

Das Vorgehen ist Neuland für die EU. Noch nie hat sie vereinbarte Hilfen in Millionenhöhe einbehalten. Zudem geht es um Zwangsgelder in einem Gerichtsverfahren, das nicht mit einem rechtskräftigen Urteil abgeschlossen war, sondern durch eine Einigung zwischen Kläger und Beklagtem beendet wurde.

Nachtragender Streit um Turow eskaliert den Konflikt um die Justiz

Die erneute Zuspitzung im einen Fall könnte auch den zweiten Streit eskalieren lassen. Im Konflikt um die Justizreform hat die EU-Kommission Zwangsgelder von täglich einer Million verhängt. Sie haben sich bereits auf über 100 Millionen Euro summiert.

Zudem wird in der kommenden Woche das Urteil des EuGH erwartet, ob die neue Rechtsstaatklausel mit EU-Recht vereinbar ist, nach der die EU Hilfsgelder bei Zweifeln an der Geltung des Rechtsstaats zurückhalten darf. Polen hat für den Fall, dass die EU mit dieser Begründung milliardenschwere Zahlungen aus den Hilfspaketen zur Förderung des Green Deal und der Digitalisierung zurückhält, gedroht, es werde Entscheidungen in der EU blockieren. Bei vielen Themen ist Einstimmigkeit nötig, damit die EU handeln kann.

In der polnischen Regierungspartei PiS wird bereits Kritik an Duda laut: Er komme der EU zu weit entgegen und erreiche im Gegenzug nichts.

Polens Präsident provoziert mit seiner China-Reise

Freilich hat Duda auch selbst zur Verstimmung beigetragen. Als einziges Staatsoberhaupt der EU flog er nach Peking zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele und unterlief damit den inoffiziellen politischen Boykott mit Blick auf Menschenrechte in China.

Die Begründung irritierte EU-Partner zusätzlich. Nach dem Wechsel von Donald Trump zu Joe Biden im Weißen Haus hätten sich die Beziehungen zu den USA verschlechtert, sagte ein Berater Dudas. „Es liegt nicht mehr in Polens Interesse, China zu kritisieren, um den Amerikanern zu gefallen.

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