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Es wird für den Wahlsieger Netanjahu sehr schwierig, eine stabile Koalition zu bilden.

© Noam Moskowitz/dpa

Patt-Situation nach der Wahl in Israel: Netanjahu, der Spalter

Benjamin Netanjahu gewinnt die Wahl, hat aber keine Mehrheit - auch, weil er Israel polarisiert. Das könnte ihn die Macht kosten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Böhme

Seine Anhänger verehren ihn wie einen König. King Bibi nennen sie Benjamin Netanjahu, der seit 2009 ohne Unterbrechung regiert. Für die Fans des israelischen Dauer-Premiers steht fest: Er allein kann das Land vor Chaos und Anarchie bewahren, nur ihm ist es zu verdanken, dass der jüdische Staat zur regionalen Großmacht aufsteigen konnte.

Alle Vorwürfe gegen ihn – Korruption, Behinderung der Justiz, Selbstherrlichkeit – ficht die Anhänger nicht an. So haben sie Netanjahus konservative Likud-Partei zur stärksten Fraktion im Parlament gemacht, wieder einmal.

Für die von ihm favorisierte rechtsreligiöse Koalition gibt es allerdings keine Mehrheit. Der Anti-Netanjahu-Block kommt fast auf die gleiche Zahl der Sitze. Richtig zum Feiern ist dem Ministerpräsidenten deshalb trotz erfolgreicher Impfkampagne und der meisten Sitze in der Knesset nicht zumute.

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In altbewährter Manier drohte Netanjahu nach der nun vierten Parlamentswahl innerhalb von nur zwei Jahren abermals umgehend mit Neuwahlen, sollte sich die von ihm favorisierten Parteien weigern, ein Bündnis mit dem Likud einzugehen. Netanjahu warnte damit kaum kaschiert vor der Unregierbarkeit des Landes, die ihn die Macht kosten könnte – und an der er eine Mitschuld trägt.

Überall sieht er Feinde

Die Zersplitterung der Gesellschaft, die sich seit Jahren im Parlament spiegelt, geht vor allem auf sein Konto. Wie kaum ein anderer israelischer Regierungschef vor ihm polarisiert Netanjahu. Wer nicht für ihn ist, wird sofort zum Gegner erklärt und angegangen.

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Überall sieht er Feinde – die Linke, die Medien –, alle wollten ihm Böses. Der König ist zumindest mit einem Teil des Volkes sehr unzufrieden, und seine Parteigänger folgen ihm in dieser Weltsicht. Ein Land, zwei unversöhnliche Lager. So ist auf Dauer kein Staat zu machen.

Seine Parteigänger verehren Netanjahu als König, der sie vor dem Chaos bewahrt.
Seine Parteigänger verehren Netanjahu als König, der sie vor dem Chaos bewahrt.

© Ronen Zvulun/Reuters

Nun wäre Netanjahu nicht der politische Zauberkünstler, als den ihn selbst seine Gegner sehen, wenn er nicht alles daransetzte, sich an der Macht zu halten. Schon oft schien der Premier am Ende seiner Karriere zu stehen, um dann doch noch die Kontrahenten auszutricksen. Im Bündnis-Schmieden macht ihm so schnell keiner etwas vor.

Netanjahus Mehrheitsbeschaffer werden einen hohen Preis einfordern

Doch dieses Mal wird es richtig schwierig. Wer auch immer als Mehrheitsbeschaffer überhaupt infrage kommt, wird es sich teuer bezahlen lassen. Das gilt nicht zuletzt für die islamistische Partei Raam, die wohl auf fünf Mandate kommt und sich für ein Bündnis mit Netanjahu offen zeigt – sofern dieser arabische Interessen berücksichtigt. Genau das dürfte dem Premier allerdings nicht leicht fallen.

Ohnehin treibt Netanjahu in erster Linie der Schutz vor einer Strafverfolgung um, sollte es für ihn vor Gericht in Sachen Korruption eng werden. Kann Netanjahu unter derartigen Bedingungen eine stabile Koalition auf die Beine stellen? Das ist keine ausgemachte Sache. Stürzt der König gar? Es ist nicht gänzlich ausgeschlossen.

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