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SPD-Spitzenkandidatin mit Maske und Werbeplakat: Anke Rehlinger, Wirtschaftsministerin im Saarland.

© imago images/BeckerBredel

Parteivize Rehlinger skizziert SPD-Pläne: „Mit der Würde eines Altkanzlers ist Schröders Handeln nicht vereinbar“

Schadet der Abwärtstrend der Ampel dem Wahlkampf der Saar-SPD? Spitzenkandidatin Anke Rehlinger über Friedrich Merz, Oskar Lafontaine – und Gerhard Schröder.

Von Hans Monath

Die Sozialdemokratin Anke Rehlinger (45) ist Vizeministerpräsidentin des Saarlandes und Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr in einer großen Koalition unter Führung von Ministerpräsident Tobias Hans (CDU). Die Spitzenkandidatin der SPD für die Landtagswahl am 27. März ist auch stellvertretende Bundesvorsitzende ihrer Partei.

Frau Rehlinger, warum sollen die Saarländerinnen und Saarländer am 27. März nach vier Jahren ihren CDU-Ministerpräsidenten Tobias Hans abwählen?
Die Landtagswahl entscheidet sich an der Frage, wem die Saarländerinnen und Saarländer zutrauen, vorhandene Arbeitsplätze zu erhalten und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ich habe in den vergangenen zehn Jahren als Ministerin auf diesem Feld Führungsstärke gezeigt und zum Beispiel Ansiedlungen großer Unternehmen erreicht – das wissen die Wählerinnen und Wähler.
Die CDU im Bund scheint sich mit der überraschend eindeutigen Wahl von Friedrich Merz zum Vorsitzenden wieder zu stabilisieren – hilft das Tobias Hans?
Im Saarland erinnern sich viele daran, wie unanständig Friedrich Merz mit seiner Parteifreundin und sehr populären früheren Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer umgegangen ist. Er hat brutal deutlich gemacht, dass er sie als CDU-Chefin für ungeeignet hielt. Friedrich Merz ist deshalb sicher nicht der beste Wahlkampfhelfer für Tobias Hans.
Die Ampel-Koalition hat laut Umfragen Vertrauen verloren, auch Kanzler Olaf Scholz wird weit kritischer beurteilt als am Anfang – ein Problem für die Saar-SPD?
Wir spüren Rückenwind dadurch, dass die SPD die Bundestagswahl gewonnen hat und Olaf Scholz Kanzler ist. Umfragen machen mich nicht kirre. Wir wollen dieses Land führen und es ist für das Saarland sehr nützlich, dass ich keinen Termin beim Bundeskanzler brauche, sondern ihn einfach anrufe. Es hilft dem Saarland nicht, wenn seine Regierung sich in Opposition zur Ampelkoalition aufstellt, wie das die CDU tut.
Mit wem wollen Sie regieren nach der Wahl – mit der CDU als Juniorpartner?
Wir wollen ein starkes Mandat für die SPD. Die große Koalition im Saarland hat die vergangenen zehn Jahre gute Arbeit geleistet. Ich beobachte, dass die Landes-CDU sich – egal, was Tobias Hans sagt - schon darauf vorbereitet, Juniorpartner unter meiner Führung zu werden. Noch ein wichtiger Faktor: Die Linkspartei ist irrelevant geworden. Ich erwarte nicht, dass sie über die Fünf-Prozent-Hürde kommt. Grundsätzlich gilt: Ich werde nur mit Partnern koalieren, die ein stabiles Regierungsbündnis garantieren.


Zum ersten Mal seit 20 Jahren wird Oskar Lafontaine mit der Linkspartei keinen Wahlkampf mehr gegen die SPD führen. Haben Sie sich bei ihm schon bedankt?
Darüber haben wir nicht gesprochen. Aber es stimmt: Zum ersten Mal seit 20 Jahren wird Oskar Lafontaine nicht mehr im Wahlkampf aktiv werden.
Ist Oskar Lafontaine als Politiker gescheitert?
Oskar Lafontaine hat in seiner Zeit als Oberbürgermeister und als Ministerpräsident dieses Landes viel erreicht. Er hat früher oftmals weiter gedacht als andere. Das wird bleiben, danach hat er viel kaputt gemacht.
Ihr wichtigstes Wahlkampfversprechen lautet, dass Sie 400.000 Arbeitsplätze im Saarland anstreben – 5000 mehr als aktuell. Wie wollen Sie das schaffen?
Das Land befindet sich mitten im Strukturwandel. Wir werden alles dafür tun, möglichst viele Arbeitsplätze in der Industrie zu erhalten. Wir wollen aber in neuen produzierenden Bereichen auch dafür sorgen, dass neue Arbeitsplätze entstehen – Stichwort Wasserstoffstrategie, Kreislaufwirtschaft und IT-Kompetenz. Ich werde eine Investitionsoffensive starten und es muss eine landesweite, ressortübergreifende Strategie für den Strukturwandel geben, die ich mit einer „Task Force Transformation“ aus der Staatskanzlei leiten werden. Ich werde das Thema Arbeitsplätze und Ansiedlungen also zur Chefinnensache machen, um einen neuen Beschäftigungsrekord zu erreichen.
Schauen wir mal über die Grenzen des Saarlandes hinaus: Menschen mit geringem Einkommen leiden unter den hohen Energiepreisen. CDU-Chef Friedrich Merz schlägt vor, die Spritsteuer zu senken, um Millionen Pendler zu entlasten. Stimmen Sie zu?
Tatsächlich dürfen nicht diejenigen unter den hohen Energiepreisen leiden, die wenig im Geldbeutel haben. Wir brauchen Maßnahmen, die auch beim Verbraucher ankommen. Beobachten Sie mal die Preisschwankungen an der Tankstelle, wer sagt mir, dass die Konzerne die Steuersenkung weitergeben? Ich finde es gut, dass die Ampelkoalition die EEG-Umlage schon im Sommer abschaffen will, das bringt Entlastung. Vor allem muss der Staat investieren, um die Versorgungssicherheit langfristig zu sichern.
Menschen mit wenig Geld leiden auch unter der Inflation. Durch sie steigt auch die relative Steuerlast für Arbeitnehmer - die sogenannte kalte Progression. Warum gibt die Ampel-Koalition die gut eine Milliarde Euro zusätzliche Einnahmen nicht durch Steuersenkungen zurück?
Es ist richtig, Härten auch durch kurzfristige Entscheidungen abzufedern. So eine ist die deutliche Erhöhung des Heizkostenzuschusses. Die hohe Inflation muss zum Beispiel auch bei Tarifverhandlungen Berücksichtigung finden. Die Bundesregierung muss aber vor allem die Energiewende so erfolgreich gestalten, dass die Menschen künftig weniger für Strom, Heizung oder Kraftstoffe ausgeben müssen.


Sie sind stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD – und Ihre Partei will ihr Verhältnis zu Russland klären. Bei Nato-Partnern und vor allem in den USA gilt die Ampel-Koalition als unsicherer Kantonist, was den Umgang mit Russland angeht. Warum hat Bundeskanzler Olaf Scholz dieses Vakuum zugelassen?
Ich kann kein Vakuum erkennen. Olaf Scholz hat eine ganz klare Linie im Konflikt um die Ukraine: Ihre territoriale Integrität darf durch Russland nicht weiter verletzt werden. Wer das dennoch tut, muss mit schwerwiegenden Sanktionen rechnen. Es ist richtig, dass der Bundeskanzler alle Kraft darauf verwendet, einen Krieg abzuwenden.
Irgendwas muss er ja falsch gemacht haben, wenn zwei Drittel der Deutschen sagen, er trete in internationalen Krisen nicht entschlossen auf.
Ich würde davor warnen, innerhalb von wenigen Wochen ein abschließendes Urteil über die Außen- und Sicherheitspolitik des Kanzlers zu fällen. Olaf Scholz war nun in Washington, er wird noch nach Moskau und Kiew reisen. Warten wir das Ergebnis seiner diplomatischen Initiative doch erst einmal ab. Ich halte seinen Weg für vielversprechend, wenn es darum geht, den Frieden in Europa zu erhalten.

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Altkanzler Gerhard Schröder zieht mitten in der Krise in den Aufsichtsrat des russischen Konzerns Gazprom ein und wirft der Ukraine Säbelrasseln vor -  vertritt er damit die Position der SPD?
Olaf Scholz hat ihm klar widersprochen, ich tue das auch. Gerhard Schröder diskreditiert sich durch solche Äußerungen selbst. Mit der Würde eines Altkanzlers ist ein solches Handeln nicht vereinbar. Man muss es aussprechen: Gerhard Schröder ist nun der Lobbyist eines russischen Konzerns.
Das Argument der SPD gegen Waffenlieferungen an die Ukraine lautet, dass man in Konfliktgebiete nicht liefere. In der Vergangenheit hat die große Koalition mit SPD-Beteiligung Ausnahmen gemacht – etwa den kurdischen Peschmerga Waffen geliefert, um den Völkermord an den Jesiden zu verhindern. Warum ist so eine Ausnahme jetzt nicht möglich?
Man muss jeden Einzelfall betrachten. Es ist richtig, dass Deutschland keine letalen Waffen an die Ukraine liefert, denn die diplomatischen Möglichkeiten sind noch lange nicht ausgereizt. Das muss nun Vorrang haben.
Am Sonntag steht die Wahl des Bundespräsidenten an – und Frank-Walter Steinmeier kann mit einer großen Mehrheit rechnen. Was erwarten Sie von ihm in seiner zweiten Amtszeit?
Frank-Walter Steinmeier ist auch als Bundespräsident ein Verteidiger der Demokratie und ein überzeugter Europäer. Ich bin sicher, dass er seine Aufgabe weiter in genau der souveränen und sehr nahbaren Weise ausfüllen wird, wie er das in seiner ersten Amtszeit getan hat. Darauf setzen alle, die ihm am Sonntag ihre Stimme geben werden.

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