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Braucht das Parlament. Wolodimir Selenski, Präsident der Ukraine.

© AFP

Parlamentswahl in der Ukraine: Sicherer Sieger Selenski

Die Ukrainer wählen an diesem Sonntag ein neues Parlament. Präsident Selinskis neue Partei dürfte gewinnen – eine Niederlage für Putin.

Geografisch gesehen ist die Distanz zwischen dem Präsidentenpalast in Kiew und dem Parlament nicht groß: nur rund 800 Meter Luftlinie. Politisch liegen zwischen diesen beiden Orten seit dem Frühjahr jedoch Welten. Im April hatte Wolodymyr Selenski die Präsidentenwahlen in der zweiten Runde mit 73 Prozent der Stimmen gewonnen und war als Staatsoberhaupt der Ukraine vereidigt worden. Bereits mit seiner ersten Amtshandlung machte er sich die Abgeordneten des Parlaments, der Rada, zum Feind. Selenski ordnete in seiner Antrittsrede die Auflösung der Versammlung und vorzeitige Neuwahlen an.

Die finden nun an diesem Sonntag statt. Alle Umfragen sehen Selenskis Partei „Diener des Volkes“, die erst im Frühjahr aus dem Nichts entstanden ist, als sicheren Sieger. Unklar scheint nur, ob es zur absoluten Mehrheit reicht.

Aus Sicht Selenskis war die Auflösung des Parlaments ein logischer Schritt. Der völlig unerfahrene Polit-Neuling, der den Präsidenten zuvor nur in einer satirischen Fernsehrolle gespielt hatte, verfügte über keinerlei Rückhalt in der Rada. Das zeigte sich rasch und deutlich: Die Abgeordneten ließen Selenski mit fast allen Initiativen gegen die Wand laufen. Manche Vorlagen schafften es nicht einmal bis auf die Tagesordnung des Parlaments.

Wie die Abgeordneten, so fühlte sich auch die Regierung nicht zur Loyalität gegenüber dem neuen Staatsoberhaupt verpflichtet. Alle innenpolitischen Prozesse sind faktisch seit einem viertel Jahr blockiert. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Selenski damit begonnen hat, rigoros jene Ämter neu zu besetzen, auf die er direkten Zugriff hat. 56 Amtsträger in 13 Regionen verloren bereits ihre Posten.

Er braucht das Parlament

Ein richtiger Präsident aber, sagen viele in Kiew, wird Selenski erst mit dieser Wahl, wenn er dann das Parlament hinter sich hat. Die ersten Verlierer der Abstimmung stehen bereits fest: Die große Mehrheit der bisherigen Abgeordneten wird der neuen Rada nicht mehr angehören. Damit hat Selenski sein wichtigstes Ziel erreicht. Die Mandatsträger der Präsidentenpartei werden wie Selenski selbst Neulinge sein, schon weil die Liste der Kandidaten auf ungewöhnliche Art zustande gekommen ist. Praktisch jeder, der nicht zum bisherigen politischen Establishment gehört und ein Amt innehatte, konnte sich bewerben.

Was Selenski mit seiner vollständigen Macht dann anfangen will, ist bislang nur in Grundzügen erkennbar. Angekündigt hat er den Kampf gegen Korruption und die alten Eliten – und einen wirtschaftsliberalen, pro-westlichen Kurs. Von seinem Wahlkampfteam auf einen Satz gebracht lautet Selenskis Programm bisher: „Für alles Gute – gegen alles Schlechte“. Ein wenig mehr ist da aber schon. Das zentrale Versprechen Selenskis, an dem er gemessen werden wird, ist dieses: Der Präsident hat angekündigt, er werde den Krieg gegen die von Russland geführten und finanzierten Separatisten im Osten der Ukraine beenden.

Moskau sendet Signale des Dialogs

Zu den Verlierern dieser ukrainischen Abstimmung wird auch der russische Präsident Wladimir Putin gehören. Vor sieben Jahren, bei der letzten Parlamentswahl in Friedenszeiten, hatten die pro-russischen Kräfte noch eine Mehrheit erzielt und die Regierungskoalition gebildet. Diesmal wird die Partei, die offen die Positionen des Kremls vertritt, zwar zweitstärkste Kraft im Parlament, aber sie kann nur noch mit zehn bis 15 Prozent der Stimmen rechnen.

Chef der pro-russischen Partei „Oppositionelle Plattform – Für das Leben“ ist der in Sibirien geborene Medienzar Viktor Medwetschuk, ein enger persönlicher Freund Putins. Der russische Präsident ist Patenonkel einer Tochter Medwedtschuks.

Der Krieg im Osten der Ukraine hat sein Ziel verfehlt und Moskaus Einfluss in dem Nachbarland nicht gestärkt, sondern im Gegenteil einen entscheidenden Beitrag geleistet zur Festigung der Ukraine als Nation. Möglicherweise ist das auch der Grund dafür, dass es zum ersten Mal seit vier Jahren positive Signale aus dem umkämpften Donbass und aus Moskau gibt.

Gerade konnte unter der Ägide der OSZE ein Waffenstillstand vereinbart werden. Inzwischen hat der Kreml signalisiert, dass man sich einer Wiederaufnahme der Gespräche im so genannten Normandie-Format nicht verschließe. Ein Treffen der Staats- und Regierungschefs der Ukraine, Russlands, Frankreichs und Deutschlands wird vorbereitet.

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