zum Hauptinhalt
Rückweg, Ausweg? Papst Franziskus im Flugzeug auf der Rückreise aus Kanada.

© Guglielmo Mangiapane/REUTERS-Pool/AP/dpa

Nach dem Besuch des Kirchenoberhaupts in Kanada: Papst sollte auch nach Deutschland kommen

Am Ende der „Bußreise“ von Franziskus nach Kanada wird klar, dass Missbrauch auf die Weltebene gehört. Damit stellt sich eine alte Frage neu. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Benjamin Lassiwe

Eine einfache Reise war es für Papst Franziskus nicht. In dieser Woche reiste das katholische Kirchenoberhaupt nach Kanada, um für die in katholischen Internaten begangenen Verbrechen an der indigenen Bevölkerung des Landes um Verzeihung zu bitten: Dort wurden bis in die 1990er Jahre mehr als 150 000 Kinder und Jugendliche verwahrt, von ihrer Kultur entfremdet und misshandelt. Spektakuläre Funde von Kindergräbern auf den Liegenschaften der Einrichtungen zeugten davon, dass es in den Schulen sogar zu Todesfällen kam.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Aber lassen sich solche Verbrechen überhaupt entschuldigen? Es war gut und richtig, dass der Papst nach Kanada fuhr. Er setzte ein Zeichen, in dem er die Reise gezielt der indigenen Bevölkerung widmete, mehrfach um Vergebung bat und sich zum Schluss der Reise auch mit Überlebenden aus den Internatsschulen traf. Aber er fand wohl nicht immer den richtigen Ton: Zwar ist es sachlich richtig, dass nicht nur die Betreiber der Einrichtungen, sondern auch die aufsichtführenden staatlichen Stellen Verantwortung trugen, so wenig haben solche Hinweise etwas auf einer Reise zu suchen, die der Papst selbst als „Bußreise“ bezeichnete.

Eine klarere Distanzierung wäre gut gewesen

Und so gern Franziskus in Klauseln und Formulierungen spricht, die man einerseits so und andererseits aber so auslegen kann: Eine noch deutlich klarere Distanzierung von der Kolonialgeschichte der katholischen Kirche hätte gerade dem Papst gut zu Gesicht gestanden, dessen gesamtes bisheriges Pontifikat vom Kampf gegen den Eurozentrismus in der Kirche geprägt war.

Und dennoch: So ein Zeichen wie in Kanada würde man sich vom Vatikan auch anderswo wünschen. Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen und die Gewalt gegenüber Schutzbefohlenen ist in der katholischen Kirche kein nationales, sondern ein weltweites Problem. Es muss noch viel stärker als bisher auch von der Weltebene angepackt werden.

[Lesen Sie zudem zur jüngsten Papst-Reise: Kanadas Indigene und die Schuld der Kirche – „Man kann das nicht einfach abschütteln“ (T+)]

Und das gilt auch für Deutschland: Zwölf Jahre nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg wäre eine Papstreise nach Deutschland, bei der ausschließlich die Betroffenen von sexuellem Missbrauch in der Kirche Gesprächspartner des katholischen Kirchenoberhaupts wären, ausgesprochen wünschenswert.

Die katholische Kirche in Deutschland hat schon viel in Sachen Missbrauchsaufarbeitung unternommen. Doch die Versuchung, die „Kirche als Institution zu verteidigen“, wie es Franziskus in Kanada formulierte, besteht unvermindert fort, auch hierzulande. Und das jüngste mahnende Schreiben des Vatikan zum „Synodalen Weg“, der Konsequenzen aus dem Skandal ziehen will, hat viel zerstört. Da wäre es gut, würde Franziskus auch in Bezug auf die Verhältnisse in Deutschland ein deutliches Zeichen setzen, ein für alle Mal deutlich machen, dass im Vatikan kein konservativer Rollback stattfindet und er den Kurs der liberalen deutschen Katholiken in der Missbrauchsaufarbeitung unterstützt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false