zum Hauptinhalt
Gilboa gilt als eines der sichersten Gefängnisse in Israel.

© Jalaa Marey/AFP

Palästinenser entkommen aus Gefängnis: Flucht durch den Tunnel

Palästinensische Häftlinge können aus einem Hochsicherheitsgefängnis fliehen - eine Blamage für Israel. Nun startet eine Suchaktion im Westjordanland.

Es dürfte eine der größten Demütigungen für Israels Sicherheitsdienste seit Langem sein – und ein Triumph militanter Palästinenser. Sechs palästinensische Häftlinge waren am Montag aus dem Hochsicherheitsgefängnis Gilboa ausgebrochen, durch einen Tunnel, den sie offenbar selbst gegraben hatten. Während Beobachter noch diskutieren, wie das möglich sein konnte, haben Israels Sicherheitskräfte eine großangelegte Suchaktion gestartet, auf die viele Palästinenser mit Zorn reagieren.

Tage nach dem spektakulären Ausbruch beherrscht das Thema in Israel noch immer Schlagzeilen und Debatten. Mehrere Fehler seitens der Sicherheitsdienste sind an die Öffentlichkeit gelangt. So hatte ein Architekturbüro, das an der Planung des Gefängnisses beteiligt gewesen war, den Grundriss des Gebäudes auf seiner Webseite veröffentlicht.

Einem Bericht des israelischen Nachrichtenportals Ynet zufolge hatten zudem die Gefängniswärter die Häftlinge nicht wie vorgesehen täglich durchsucht. Schließlich soll der Mann, der in jener Nacht den Wachturm des Gefängnisses besetzte, während des Ausbruchs geschlafen haben. Auf jedem Fall wurde die Flucht erst mit zweistündiger Verspätung entdeckt.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen]

Der prominenteste der Flüchtlinge ist Sakaria Subeidi, ein früherer Anführer der Al-Aksa-Brigaden, die unter anderem von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestuft werden und mit der palästinensischen Fatah-Partei verbunden sind. Israel wirft Subeidi die Planung von Anschlägen vor. Die anderen fünf Häftlinge gehören der Terrorgruppe Islamischer Dschihad an. Vier von ihnen sollen ebenfalls Attentate geplant oder durchgeführt haben.

Sicherheitskräfte setzen Spürhunde und Drohnen ein

Israels Premier Naftali Bennett nannte den Ausbruch einen „ernsten Vorfall“, eine eher zurückhaltende Beschreibung eines Versagens, das in der Öffentlichkeit als nationale Blamage wahrgenommen wird. Viele Palästinenser wiederum feierten die Flucht, sogar ihre politischen Vertreter. Er sei „glücklich“ über den Ausbruch, ließ der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Shtajjeh verlauten.

Loch in die Freiheit - auf diesem Weg sind die militanten Palästinenser entkommen.
Loch in die Freiheit - auf diesem Weg sind die militanten Palästinenser entkommen.

© Gil Eliyahu/Reuters

Israel hat inzwischen eine große Suchaktion gestartet. Sicherheitskräfte setzen Spürhunde und Drohnen ein, haben Straßensperren errichtet und die Übergänge zum Westjordanland abgesperrt. Mitte der Woche verlegte der jüdische Staat zusätzliche Soldaten ins Westjordanland und ließ mehrere Angehörige der Geflüchteten festnehmen.

[Jeden Donnerstag die wichtigsten Entwicklungen aus Amerika direkt ins Postfach – mit dem Newsletter „Washington Weekly“ unserer USA-Korrespondentin Juliane Schäuble. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung.]

Israelische Gefängnisse verlegten zudem Hunderte palästinensischer Häftlinge, um zu vermeiden, dass sich mehrere Mitglieder des Islamischen Dschihads eine Zelle teilen. In Reaktion darauf randalierten Häftlinge in mehreren Anstalten und setzten Zellen in Brand, woraufhin Israel ein vorübergehendes Besuchsverbot für deren Familien aussprach.

„Tausende für die Handlungen einer weniger zu bestrafen, ist klassische kollektive Bestrafung“, schrieb Omar Shakir, Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Israel und den Palästinensergebieten.

In Teilen des Westjordanlands ist es bereits zu Ausschreitungen gekommen.
In Teilen des Westjordanlands ist es bereits zu Ausschreitungen gekommen.

© Jaafar Ashtiyeh/AFP

In der Nacht auf Donnerstag protestieren Hunderte Palästinenser im Westjordanland, etwa in Nablus, Hebron und Bethlehem sowie in Ost-Jerusalem. An mehreren Orten kam es zu Zusammenstößen mit israelischen Soldaten. Etwa 400 Palästinenser waren laut israelischen Angaben daran beteiligt; einige zündeten Autoreifen an, andere warfen Steine und Molotowcocktails.

Palästinenser kündigen einen „Tag des Zorns“ an

Die Soldaten wiederum feuerten nach palästinensischen Angaben mit Gummigeschossen und versprühten Tränengas, woraufhin Hunderte Palästinenser behandelt werden mussten, die meisten wegen Atemproblemen. Eine baldige Beruhigung der Lage ist nicht zu erwarten. Für diesen Freitag haben mehrere palästinensische Gruppen einen „Tag des Zorns“ angekündigt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false