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Joszef Szajer zieht sich aus dem EU-Parlament zurück.

© Peter Kohalmi,AFP

Orgie mit Männern gefeiert: Ungarischer Politiker stürzt über Sexparty im Lockdown

József Szájer gehört Orbans rechtskonservativer Partei an, die sich eigentlich immer wieder gegen Homosexuelle positioniert. Umso mehr überrascht der Vorfall.

Zunächst schien es ein ganz normaler Vorgang. Am vergangenen Sonntag gab der rechtskonservative ungarische Europa-Abgeordnete József Szájer per Mail bekannt, er werde zum Jahresende sein Mandat niederlegen. Nach mehr als 15 Jahren sei es ihm eine zu große Bürde geworden, tagtäglich im politischen Kampf zu stehen, ließ er verlauten.

Derzeit führt Ungarns Regierungschef Viktor Orbán eine besonders heftige Auseinandersetzung mit der EU-Kommission. Dabei ist der 59-jährige Szájer sein wichtigster Mann in Brüssel. Er ist derjenige, der dafür sorgen muss, dass die Brücke zur Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei, zu der die Orbán-Partei gehört, nicht endgültig zusammenbricht. Der Zeitpunkt von Szájers Rückzug musste also überraschen.

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Noch überraschender waren dann die tatsächlichen Gründe. Er sei bei einer Sexorgie von Homosexuellen mit Rauschgift erwischt worden, gab die Brüsseler Staatsanwaltschaft bekannt. Orgien zu feiern, ist in Belgien nicht generell verboten, doch derzeit schon. Seit Anfang November tritt jeden Abend in Brüssel und dem französischsprachigen Teil um 22 Uhr eine Ausgangssperre in Kraft. In den Innenräumen darf jeder Belgier höchstens zwei Gäste empfangen.

In diesem Fall hatten Nachbarn Lärm gehört, illegale Machenschaften vermutet und die Polizei gerufen. „Wir haben einen Gangbang unterbrochen“, zitiert die Zeitung „La Dernier Heure“ die Polizei. Szájer wurde auf der Flucht ergriffen. Er versuchte noch, über die Regenrinne aus der im ersten Stock gelegenen Wohnung zu entkommen. Dabei verletzte er sich an der Hand. In seinem Rucksack stellte die Polizei Drogen sicher.

„Die brachten immer mehr Volk mit“

Szájer konnte sich nicht ausweisen, gab an, er habe Parteifreunde besuchen wollen, und verwies aber auf seine Immunität als Europa-Abgeordneter. Doch die Polizei ließ ihm das nicht durchgehen, stellte seine Personalien fest und leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Rauschgiftbesitzes ein. Der Abgeordnete gibt an, dass ihm das Rauschgift nicht gehöre. In der Wohnung soll auch Kokain gefunden worden sein.

Ein Ukrainer, der die Wohnung im ersten Stock angemietet hat, erklärte der Zeitung „De Morgen“, dass er dort alle paar Wochen Orgien für Männer organisiere. Es habe angefangen mit einigen Freunden aus den Niederlanden und Deutschland. „Und die brachten immer mehr Volk mit.“ Mehr als 50 Teilnehmer seien die Regel gewesen. Der Europa-Abgeordnete hat sich inzwischen für den Verstoß gegen die Corona-Regeln entschuldigt: „Das war unverantwortlich von mir, ich werde die Sanktionen auf mich nehmen.“

Die Reaktion der ungarischen Opposition ließ nicht auf sich warten: Der Fall Szájer entlarve die Doppelmoral der Rechtskonservativen Fidesz-Partei, hieß es. Von einem „kompletten moralischen Bankrott der Fidesz“ ist die Rede in einer Erklärung der liberalen proeuropäischen Momentum-Bewegung. Szájer ist einer der Mitbegründer der Orban-Partei, mit einer Verfassungsrichterin verheiratet. Das Paar hat eine Tochter. Gern tritt der Abgeordnete, der seit 2004 im Europaparlament sitzt, als Verteidiger der bürgerlichen Familie auf.

Bürgerliche Fassade

In Ungarn ist er einer der Autoren der Verfassung von 2011. In der heißt es unter anderem, dass die Ehe nur möglich ist zwischen Menschen unterschiedlichen Geschlechts. Journalisten aus Ungarn verweisen jedoch darauf, dass schon länger Gerüchte kursierten, wonach Szájers Ehe lediglich eine bürgerliche Fassade war. Vor Jahren schon wurde in Budapest gemunkelt, der innenpolitisch mächtige Szájer sei seinerzeit nach Brüssel „weggelobt“ worden war, bevor Affären publik werden konnten.

Die Orbán-treuen Medien führen einen heftigen Propagandakampf gegen Homosexuelle, was vorhandene Vorurteile in der Gesellschaft verstärkt. Möglich ist es deshalb, das der Szájer-Skandal trotz seine Rückzugs in Ungarn noch erhebliche Folgen hat.

Pikant ist der Fall auch deswegen, weil Rechte von gleichgeschlechtlichen Paaren im Konflikt zwischen Ungarn, Polen und dem Rest der Europäischen Union eine Rolle spielen. Die Regierungen in Polen und Ungarn wehren sich gegen Vorschläge aus Brüssel, die Diskriminierung von Homosexuellen einzudämmen.

Polen und Ungarn blockieren ein Finanzpaket der EU mit einem Volumen von 1800 Milliarden Euro. 750 Milliarden Euro davon sind zum Neustart der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie geplant. Mit ihrer Blockade wollen die beiden Länder verhindern, dass der Rechtsstaatsmechanismus aktiviert wird. Er sieht vor, dass EU-Länder, die sich nicht an die demokratischen Regeln und Grundwerte der EU halten, der Zugriff auf EU-Haushaltsmittel verwehrt werden kann.

Gegen Polen und Ungarn laufen bereits Rechtsstaatsverfahren der EU-Kommission. Polen wird vorgeworfen, die Unabhängigkeit der Gerichte anzutasten. Ungarns Ministerpräsident Orbán wird angelastet, Verwandten lukrative Aufträge zugeschanzt zu haben, Stimmung gegen Homosexuelle und Minderheiten wie Juden und Roma zu schüren. Donald Tusk, Chef der christdemokratischen Parteienfamilie EVP, setzt sich dafür ein, die Fidesz-Partei von Orban und Szájer aus der EVP auszuschließen. Bislang fand er dafür jedoch keine Mehrheit unter den Abgeordneten.

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