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Der Impfstoffhersteller Pfizer rechnet mit jährlichen Corona-Impfungen.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Omikron zerstört Gewissheiten: Es reicht noch nicht für eine Corona-Impfpflicht

Die Bundesregierung sollte die Einführung einer Impfpflicht nicht überstürzen. Es fehlen derzeit noch zu viele Erkenntnisse. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Die allgemeine Impfpflicht wackelt – jedenfalls im Terminplan. Wegen technischer und juristischer Probleme und nicht zuletzt, man höre und staune, wegen des Karnevals, wird es nichts mit dem angekündigten Start ab Ende Februar, Anfang März.

Das mag auf machtstrategischer Ebene schlecht für das Renommee von Bundeskanzler Olaf Scholz sein, dafür ist es aber auf inhaltlicher Ebene durchaus zu begrüßen.

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Ein in Richtung April oder sogar Sommer verschobener Starttermin einer Impfpflicht macht es möglich, dass vor dem entsprechenden Beschluss mehr über den Verlauf der Pandemie in ihrer aktuellen fünften Welle erfahren werden kann.

Je später der Abstimmungstermin, desto klarer wird sein, wie schnell sich die Omikron-Viren verbreiten, wie gefährlich eine Ansteckung ist, wie die Krankheitsverläufe sich verändern und vor allem: wie gut die bisher verfügbaren Impfstoffe gegen das Virus helfen. Und am letzten Punkt vor allem sollte sich das Votum über eine Impfpflicht orientieren.

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Die öffentliche Debatte spiegelt diese Fragezeichen kaum noch wider. Von den relevanten politischen Akteuren hält am spürbarsten die FDP noch den grundsätzlichen Zweifel an einer allgemeinen Impfpflicht hoch, während es sonst mehrheitlich bereits um Fragen der Durchsetzung und Kontrolle geht.

In diesem Diskursumfeld wirkt der Termin des Bundespräsidenten, der am Mittwoch mit Bürgern über ein Pro und Contra zur Impfpflicht debattieren will, schon fast ein bisschen kess. Wieso Contra?

Dabei wirft die Omikron-Variante jede Menge neue Fragen an der Wirkkraft der bisher verfügbaren Impfstoffe auf. Nachdem anfangs zu zwei Impfungen geraten wurde, sind es inzwischen drei, und wer weiß schon, ob die perspektivisch reichen.

Das Virus verändert sich, und so kann niemand ausschließen, dass nicht bald noch eine vierte oder fünfte Impfung dazukommen, und ob es nicht gar ewig so weitergeht.

Dessen ungeachtet ist ungefähr zeitgleich die allgemeine Impfpflicht von einem anfänglichen No-Go mittlerweile zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Man könnte den Sinneswandel salopp auf die Formel bringen: Je weniger die Impfungen sich als geeignet erweisen, die Pandemierisiken final zu stoppen, desto dringender wird für die Impfpflicht geworben.

Eine verpflichtende Impfung sollte die Seuche stoppen können

Das hat Schildbürgerpotenzial und sollte so nicht bleiben.

Die Verfügung einer allgemeinen Impfpflicht ist immer noch ein tiefer Eingriff in die Freiheitsrechte der Einzelnen, in ihr Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit. Und so geht es in der Frage, ob eine solche Maßnahme kommen soll, ebenfalls immer noch um nicht weniger als die Gewichtung von Grundrechten.

Dabei ist die Wirkmacht der Impfung von fundamentaler Bedeutung. Eine Impfung, die von Staats wegen verpflichtend gemacht wird, sollte Infektionen und die Virusverbreitung verhindern, was in der Folge Lockdowns und Überlastungsszenarien in Krankenhäusern obsolet machte, und idealerweise die Seuche stoppen. Daran sind nach aktuellem Stand Zweifel angebracht.

Warum in einer solch volatilen und datenunsicheren Lage überhaupt unbedingt schnell eine derart gewichtige Entscheidung treffen? Die Politik sollte hier den Verdacht vermeiden, sie sei Opfer eines selbst in Gang gesetzten Verselbstständigungsautomatismus geworden.

Sie kann sich beraten und beraten lassen und Alternativen prüfen, aber möglichst bald einen gültigen Beschluss zur Einführung einer Impfpflicht zu fassen, könnte sich als voreilig und im Lichte von Daten, die erst in den kommenden Wochen und Monaten verfügbar sein werden, als nicht sonderlich nachhaltig erweisen.

Aber selbst wenn die Impfungen am Ende nur dafür sorgen sollten, dass die Krankheitsfälle milde verlaufen, ist das immer noch ein guter Grund, den regelmäßigen Gratis-Piks in den Arm zu empfehlen. Und die Werbung dafür könnte gänzlich ohne Grundrechtseingriff schnell und einfach intensiviert werden.

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