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Joe Biden, Präsident der USA, vor dem Weißen Haus.

© Patrick Semansky/AP/dpa

Olaf Scholz bei Joe Biden: Ein starkes Team – trotz der Krisen daheim

Kanzler und Präsident verlieren in Umfragen an Popularität. Aber im Konflikt mit Putin um die Ukraine haben beide einen breiten Rückhalt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Sie müssten strotzen vor Kraft, gerade jetzt, in dieser abgrundtiefen Krise, in der Krieg droht und ein souveränes Land in Europa erpresst wird. Joe Biden regiert das mächtigste Land der Welt, mit den höchsten Militärausgaben und der größten Volkswirtschaft.

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Olaf Scholz regiert das stärkste Land der Europäischen Union, deren 450 Millionen Einwohner im drittgrößten Wirtschaftsraum der Welt einen der höchsten Lebensstandards haben.

Das Verhältnis der beiden Staaten zueinander hat US-Außenminister Antony Blinken mit dem Superlativ beschrieben, die USA hätten „keinen besseren Partner und keinen besseren Freund“ als Deutschland.

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Doch was taugen solche Beteuerungen in einer Zeit, in der mehr als 100.000 russische Soldaten an der Grenze zur Ukraine aufmarschiert sind? Auf diese Frage müssen Biden und Scholz bei ihrem Treffen an diesem Montag eine Antwort finden. Sie steht im Zentrum der Gespräche, alles andere ist alles andere.
Aber stimmt das Bild von den zwei mächtigen politischen Repräsentanten des freien Westens überhaupt? Bidens Popularitätswerte gehen konstant nach unten.

Bidens Vorhaben scheitern am Kongress

Er hat weder die Corona-Pandemie noch die Lage der Flüchtlinge an der Grenze zu Mexiko im Griff. Er bekommt keine Wahlrechtsreform und keine anderen wichtige Vorhaben durch den Kongress, obwohl seine Partei, die Demokraten, in beiden Häusern über eine Mehrheit verfügt.

Es gilt als wahrscheinlich, dass die Republikaner bei den kommenden Kongresswahlen sowohl das Repräsentantenhaus als auch den Senat übernehmen. Der überstürzte Abzug aus Afghanistan hat Zweifel an der außen- und sicherheitspolitischen Kompetenz des US-Präsidenten genährt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fliegt an diesem Montag zum Antrittsbesuch bei Präsident Joe Binden in die USA.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fliegt an diesem Montag zum Antrittsbesuch bei Präsident Joe Binden in die USA.

© Michael Kappeler/dpa

Und Scholz? Auch dessen Beliebtheitswerte sind im Sinkflug. In der Ukrainekrise setzen Kanzleramt und Außenministerium unterschiedliche Akzente, um es milde zu formulieren. Seine Partei, die SPD, findet keine einheitliche Linie im Verhältnis zu Russland.

Die Abhängigkeit von russischem Gas schwächt Scholz

Wie erschreckend abhängig Deutschland von russischen Erdgas-Importen ist, wurde abermals deutlich. Vielleicht freut sich keiner mehr über den deutschen Doppelausstieg aus Atom- und Kohle-Energie als Wladimir Putin. Ist er der Dealer, auf dessen Forderungen die deutschen Junkies eingehen müssen?

Beide Beschreibungen sind richtig – und falsch zugleich. US-Präsident und Bundeskanzler sind einerseits schwächer, als Größe, Einfluss und Macht ihrer Länder vermuten ließen. Andererseits sind sie stärker, als der tagesaktuelle Blick suggeriert.

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Beispiel USA: Trotz eines hohen Maßes an politischer Polarisierung ziehen in der Ukrainekrise Demokraten und Republikaner fast geschlossen an einem Strang. Mit Ausnahme einiger Rechtsausleger, die sich als Erbe Donald Trumps verstehen, ist Konsens, dass Russland Paroli geboten und die Nato gestärkt werden muss.

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Beispiel Deutschland: Die Ukrainekrise dürfte auch den hartnäckigsten Putin-Apologeten ins Grübeln gebracht haben. Gerhard Schröder und die Seinen sind zunehmend isoliert. Auch bei den Grünen reift die Einsicht, dass die Energieversorgung des Landes von Grund auf neu geregelt werden muss.

Wer stark ist, muss nicht damit prahlen

Denn: Was in der Ukraine geschieht – oder zugelassen wird –, geht weit über die Ukraine hinaus. Es betrifft die Nato, das Baltikum, den Westen, Taiwan. Die Bundesregierung weiß das. Ihr bündnispolitische Unzuverlässigkeit zu unterstellen, ist perfide. Die bestehenden Dissonanzen lassen sich mit fundamentalen Differenzen – man denke nur an die Nato-Nachrüstung, den Irakkrieg oder die Trump-Administration – nicht vergleichen.

Insofern ist das Gespann Biden-Scholz womöglich sogar ein Glücksfall in dieser Krise. Es ist klar und unmissverständlich in der Sache, aber unaufgeregt und unideologisch im Ton. Es ist bemüht, der Gegenseite keine Vorwände zu liefern für eine weitere Destabilisierung der Lage.

Das mag Hitzköpfe und Scharfmacher unbefriedigt lassen. Doch sie – und Putin – vergessen: Wahre Stärke muss nicht demonstriert werden. Wer sie hat, braucht nicht mit ihr zu prahlen.

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