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Die Klage zielte auf den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR).

© dpa / Klaus-Dietmar Gabbert

Nutzerkommentare beim ÖRR: Der Rundfunk darf leichter löschen

User-Beiträge bei Facebook-Accounts von MDR & Co müssen einen Bezug zu den Sendungen aufweisen, entschied das Bundesverwaltungsgericht. Sonst können sie entfernt werden.

Das hätte schwierig werden können für den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Jeden Monat posten rund 40.000 Nutzerinnen und Nutzer ihre Kommentare beim Facebook-Auftritt des Senders. Zehn Mitarbeiter im Schichtbetrieb werten aus, was davon gegen die hauseigenen Regeln verstößt (so genannte Netiquette).

Aussortiert werden insbesondere Beiträge, die keinerlei Bezug zu den vom MDR ausgestrahlten Sendungen haben. Dagegen klagte ein Nutzer bis zum Bundesverwaltungsgericht. Für den MDR hätte dies bedeuten können, die Kommentare künftig deutlich aufwändiger prüfen zu müssen.

Doch vorerst gibt es Entwarnung. Die Rundfunkanstalten sind berechtigt, Kommentare bei ihren Auftritten in den sozialen Medien zu löschen, wenn diese von vornherein keinen Bezug zu Sendungen aufweisen (Az.: 6 C 12.20). Dies entschied das Gericht am Mittwoch. Für den beklagten MDR besonders erleichternd: Er muss die Nutzer weder anhören, bevor er deren Beiträge löscht, noch muss er sie später darüber benachrichtigen.

 MDR - Mitteldeutscher Rundfunk, Ihr zensiert!! Nicht umsonst habe ich deswegen einen Anwalt eingeschaltet.

Der Kläger in einem gelöschten Facebook-Kommentar

Der Kläger hatte ursprünglich 14 Kommentare auf der MDR-Facebookseite gepostet. Die meisten davon bezogen sich auf eine vorangegangene Löschung und kritisierten den Umgang mit eigenen Einträgen. „MDR - Mitteldeutscher Rundfunk, Ihr zensiert!!“, hieß es da etwa. „Nicht umsonst habe ich deswegen einen Anwalt eingeschaltet.“

Die Regeln sollen verhindern, dass der ÖRR der Presse Konkurrenz macht

Das Leipziger Verwaltungsgericht hatte nur einen Post als zulässig angesehen, mit dem der Kommentator tatsächlich auf eine Sendung reagiert habe, das zuständige Oberverwaltungsgericht bestätigte das Urteil. Dies tat das Bundesverwaltungsgericht jetzt im Wesentlichen auch.

Das Gericht bezog sich dabei auf Regelungen des damals noch geltenden Rundfunkstaatsvertrags. Der schrieb vor, dass Telemedien-Angebote der Rundfunkanstalten inhaltlich stets eng an Sendungen gebunden sein müssen. Grund dafür waren Klagen privater Medienunternehmen gewesen, dass die öffentlich-rechtlichen und damit beitragsfinanzierten Angebote den kommerziellen Angeboten der Presse keine direkte Konkurrenz machen dürften. Die Regelungen wurden daher auch in den neuen Medienstaatsvertrag übernommen.

Das Bundesverwaltungsgericht folgerte aus diesen Vorschriften, dass der direkte Sendungsbezug auch bei Kommentaren in Chat-Foren gegeben sein muss, die die Rundfunkanstalten in den sozialen Medien wie Facebook unterhalten. Darin läge zwar ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit. Dieser sei aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt, heißt es im Urteil. Zugleich gäben die Vorschriften dem MDR die Befugnis zur Löschung. Der Kläger hatte dagegen eingewandt, die Regeln beschränkten sich auf den Rundfunk. Für ihn als Nutzer hätten sie keine Geltung.

Ganz erfolglos war der Kläger aber nicht. Nach den Feststellungen des Gerichts habe der MDR noch einen weiteren Post zu Unrecht entfernt. Zu einer MDR-Sendung „Bundesweite Razzia gegen Neonazis“ schrieb der Nutzer in einer ebenfalls gelöschten Äußerung: „Ob man dabei den Attentäter von Straßburg finden wird??“ und bezog sich damit auf ein islamistisches Attentat. Hier hätten die Vorinstanzen das Erfordernis des Sendungsbezugs „zu eng“ gehandhabt, hieß es.

Das Bundesgericht stärkt die Meinungsfreiheit dennoch

Vor seinen Urteil hatte das Gericht den Fall gründlich verhandelt. Der Vorsitzende Richter wies darauf hin, dass Rundfunkanstalten - was oft vergessen werde - grundrechtsverpflichtet seien, den Meinungsfreiheitsartikel im Grundgesetz also auch gegenüber ihren Nutzerinnen und Nutzern zu berücksichtigen hätten.

Offenbar folgt für das Gericht daraus, dass an den Sendungsbezug keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Wenn also vom Rechtsextremismus berichtet wird, soll es offenbar zulässig sein, auch auf den Islamismus zu sprechen zu kommen.

Einen wesentlichen Teil der Verhandlung nahm auch die Frage ein, welche Verfahrenspflichten die Rundfunkanstalten im Umgang mit solchen Beiträgen treffen. Anhörungen und Benachrichtigungen sind zwar entbehrlich.

Möglich erscheint aber, dass die Sender noch verpflichtet werden, gelöschte Kommentare vorzuhalten, damit sie nach einem für Nutzer erfolgreichen Klageverfahren wieder freigeschaltet werden können. Dies könnte dann den schriftlichen Urteilsgründen zu entnehmen sein, die jedoch erst einige Wochen nach der Verkündung veröffentlicht werden.

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