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Sie waren dabei. Die "Corona-Rebellen Düsseldorf" beteiligten sich am versuchten Sturm auf den Reichstag. Jetzt werden sie vom Verfassungsschutz beobachtet

© imago images/JeanMW

Exklusiv

„Corona-Rebellen“ und andere im Blick: NRW-Verfassungsschutz beobachtet Reichsstagsstürmer

Die „Corona-Rebellen Düsseldorf“ beteiligten sich am Sturm auf den Bundestag. Nun sind sie und weitere Gruppen im Visier des Verfassungsschutzes in NRW.

Von Frank Jansen

Der Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen hat am Donnerstag die nachrichtendienstliche Beobachtung der "Corona-Rebellen Düsseldorf" und rund 20 weiterer Gruppierungen der Querdenken-Szene gestartet. Es lägen "hinreichend tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht der demokratiefeindlichen und sicherheitsgefährdenden Delegitimierung des Staates" vor, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU) dem Tagesspiegel.

Solche Anhaltspunkte ergäben sich, "wenn sich Anhänger der Protestbewegung mit Rechtsextremisten vernetzen, gewalttätig gegen Sicherheitskräfte und staatliche Einrichtungen vorgehen oder ständig die staatlichen Schutzmaßnahmen verächtlich machen, um das Vertrauen der Menschen zu erschüttern". Die Corona-Rebellen Düsseldorf gehören zu den härtesten Gruppierungen der Szene und hatten sich am 29. August 2020 in Berlin am versuchten Sturm von Coronaleugnern, Reichsbürgern und Rechtsextremisten auf das Reichstagsgebäude beteiligt. Die Polizei konnte die Angreifer nur mit Mühe aufhalten. Reul betonte, demokratischer Protest werde begrüßt, aber "extremistische Querschläger" würden beobachtet.

Die Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln bedeutet, dass der Verfassungsschutz unter anderem den E-Mail-Verkehr überwachen, V-Leute werben und personenbezogene Daten speichern kann. Der Verfassungsschutz gehe davon aus, "dass die Beobachtung der verfassungsfeindlichen Delegitimierung des Staates eine längerfristige Aufgabe ist", sagte Behördenchef Burkhard Freier dem Tagesspiegel. Es müsse damit gerechnet werden, "dass die aktuelle Bewegung der Coronaleugner gegen die staatlichen Maßnahmen sich jederzeit auch ein anderes Vehikel suchen wird, um die demokratiefeindliche und sicherheitsgefährdende Haltung gegenüber Staat und demokratisch legitimierten Einrichtungen und Institutionen zu zeigen".

Kritisch sei, "dass die Versuche, das Vertrauen in die demokratische Ordnung zu erschüttern, anscheinend zunehmend Sympathie im nicht-extremistischen Protestspektrum finden", sagte Freier. Der Verfassungsschutz NRW hatte bereits im März 2020 begonnen, sich die rasch radikalisierende Protestbewegung anzuschauen.

Bundesamt für Verfassungsschutz hatte vorgelegt

Der Verfassungsschutz NRW schließt sich mit dem Beobachtungsobjekt dem Bundesamt für Verfassungsschutz an. Es hatte vergangene Woche ein "Sammelbeobachtungsobjekt ,Demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates'" eingerichtet. Das Bundesamt ist auf die Zulieferung der Länder angewiesen. Im Fall NRW ist nun eine Fülle an Material aus der nachrichtendienstlichen Beobachtung zu erwarten.

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Vor der Entscheidung des Bundesamtes hatten bereits mehrere Verfassungsschutzbehörden die Beobachtung der Querdenkerszene eingeleitet, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Im Dezember 2020 begann Baden-Württemberg, die regionale Gruppierung „Querdenken 711“ intensiv unter die Lupe zu nehmen. Querdenken 711 gilt als die Keimzelle der bundesweiten Bewegung. Im März richtete der bayerische Verfassungsschutz ein „Sammelbeobachtungsobjekt ,Sicherheitsgefährdende demokratiefeindliche Bestrebungen‘“ ein, um stark radikalisierte Coronaleugner und Verschwörungsmythiker in den Blick zu nehmen.

Ende des Monats gab Hamburgs Verfassungsschutz bekannt, die Gruppierungen „Querdenken 40“ und „Hamburg steht auf“ seien als Verdachtsfälle eingestuft. Innensenator Andy Grote (SPD) betonte, es handele sich um ein neuartiges Phänomen, einen „Extremismus sui generis“.

So sieht das auch Berlins Verfassungsschutz, der im April Teile der Szene ebenfalls als Verdachtsfall bewertete und einen eigenständigen Extremismus diagnostiziert, trotz Überschneidungen zu Rechtsextremisten und Reichsbürgern. Vergangene Woche teilte dann Bremens Innenverwaltung auf Anfrage des Tagesspiegels mit, „Teilbereiche dieser sehr heterogenen Szene“ würden bereits vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet.

Thüringen will wie Bayern auffällige Personen beobachten

Sachsen und Rheinland-Pfalz deuteten ebenfalls Ende April an, dass ihre Verfassungsschutzbehörden nach der Entscheidung des Bundesamtes in die nachrichtendienstliche Beobachtung des Spektrums der Coronaleugner und Verschwörungsmythiker einsteigen. Thüringens Verfassungsschutz orientiert sich offenbar am bayerischen Modell, besonders auffällige Personen zu beobachten. Ein Sprecher des Innenministeriums in Erfurt sagte am Mittwoch, nach der Entscheidung des BfV gehe es nicht darum, „die Bewegung an sich zum Verdachtsfall zu erklären, sondern gegenüber Einzelpersonen nachrichtendienstliche Mittel zu ermöglichen“.

Niedersachsens Verfassungsschutz hält sich etwas zurück. Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte vergangene Woche, die Querdenkerszene sei noch kein Beobachtungsobjekt der Abteilung Verfassungsschutz. Es werde aber „eine zunehmende Radikalisierung und eine zunehmende rechtsextremistische Unterwanderung“ wahrgenommen. Die Protestformen hätten „durchaus verfassungsfeindliche Züge“.

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