zum Hauptinhalt
Es reicht zum Leben. Die Negativzinsen sind für das Rentensystem keine Gefahr.

© picture alliance / Marijan Murat

Niedrigzinspolitik der EZB: Negativzinsen könnten für die Rente sogar Vorteile bringen

Die negativen Vermögenserträge der Sozialkassen sind ärgerlich, aber kein Grund zur Panik. Ein Gastbeitrag.

Untergräbt die Niedrigzinspolitik der EZB unser Rentensystem? Zu diesem Schluss könnte man kommen, wenn man einige Beiträge zu den negativen Vermögenserträgen der Sozialkassen liest. Tatsächlich verbuchte die Deutsche Rentenversicherung 2017 bei der Anlage ihrer Nachhaltigkeitsrücklage Verluste in Höhe von rund 49 Millionen Euro und erwartet für 2018 einen ähnlich hohen Betrag. Das ist ärgerlich, aber kein Grund zur Panik, weil der Umfang der Verluste überschaubar bleibt. Bei einem Gesamtbudget von rund 300 Milliarden Euro liegt er bei gerade einmal 0,016 Prozent.

Auch wenn hier keine systemische Gefahr vorliegt, erscheint es sinnvoll zu fragen, ob solche Verluste in Zukunft vermeidbar wären. Deswegen steht nun die Forderung im Raum, die Anlagevorschriften der Rentenversicherung zu lockern. Das klingt erst mal plausibel, denn der Rentenversicherung sind per Gesetz nur sehr konservative und kurzfristige Anlagemöglichkeiten gestattet, die aktuell eben keine positive Rendite bringen. Das meiste Geld steckt in Termin- und Tagesgeldern. Warum sollte man das nicht ändern? Könnte man nicht mit risikoreicheren Anlagen eine höhere Rendite erwirtschaften?

Gegen eine Änderung der Anlagevorschriften sprechen der Zweck der Nachhaltigkeitsrücklage und ihre mittelfristige Entwicklung. Sie soll zu jedem Zeitpunkt sicherstellen, dass die Liquidität der Rentenversicherung gewährleistet ist. Während die monatlichen Ausgaben der Rentenversicherung relativ konstant sind, weisen die Beitragseinnahmen typische saisonale Muster auf. Zum Jahresende werden viele Gehaltsbestandteile als Einmalzahlung ausgezahlt, die Einnahmen steigen stark an. Das Auseinanderfallen von Ausgaben und Einnahmen muss mit einem Auf- und Abbau der Liquiditätsreserve überbrückt werden. Der Anlagezeitraum ist eher kurz. Zudem dient die Reserve als Puffer gegen konjunkturbedingte Einnahmeschwankungen. So kann ein kurzfristiger Rückgang der Einnahmen kompensiert werden, ohne gleich den Beitragssatz verändern zu müssen.

Ein Verbot von Negativzinsen würde Kosten verursachen

Die Rücklage darf in einem Korridor von 0,2 bis 1,5 Monatsausgaben liegen. Wird erwartet, dass sie die Grenze nach unten durchbricht, muss der Beitragssatz angehoben werden. Durchbricht die Rücklage die obere Grenze, muss der Beitragssatz gesenkt werden. Da die Rücklage als Polster zur Sicherung der Liquidität dient, schreibt das Gesetz aus guten Gründen vor, die Mittel in liquide Anlagen zu investieren.

Daneben gibt es den Vorschlag, die Negativzinsen für das Sozialversicherungsvermögen zu verbieten. Es ist aber eine Illusion zu glauben, dass dies keine Kosten verursacht. Das Verbot ginge zunächst zulasten der Banken. Im Extremfall entstehen Verluste und ein erheblicher Teil der verminderten Erträge entfiele auf Landesbanken und Sparkassen, also öffentliche Institute. Ohne klaren Nachweis, dass diese negativen Zinsen auf der Marktmacht der Banken beruhen, sollte man auf so eine Maßnahme verzichten.

Man kann zur Niedrigzinspolitik unterschiedlicher Auffassung sein, aber der Rentenversicherung im Besonderen entsteht durch die Zinsverluste keine existenzielle Bedrohung. Es ist sogar umgekehrt: Das Beschäftigungswachstum in Deutschland wird durch die niedrigen Zinsen begünstigt und trägt dazu bei, den Beitragssatz relativ niedrig und das Rentenniveau stabil zu halten.

Indirekt führt die Niedrigzinspolitik und die steigende interne Rendite der Rentenversicherung allerdings zu einem weiteren Effekt, der tatsächlich gewisse Risiken birgt: Das Zahlen freiwilliger Beiträge an die Gesetzliche Rentenversicherung ist attraktiver geworden. So können Versicherte, die vorzeitig in Rente gehen möchten, die dann anfallenden Abschläge mit freiwilligen Beiträgen ausgleichen. Die temporär lukrative Anlagemöglichkeit müssen die jüngeren Generationen später durch höhere Beiträge finanzieren.

Johannes Geyer ist stellvertretender Abteilungsleiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Johannes Geyer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false