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Taifune wüten in Ostasien, hier ein Foto von 2014.

© Ingrid Müller, TSP

Klimagipfel in Kattowitz: Nicht nur das Erbe, auch die Gegenwart ruinieren wir

Staaten können Klimaschutzpflichten hin- und herschieben, wie sie wollen. Mit dem Planeten aber lässt sich nicht feilschen. Eine Kolumne.

Was macht eine Umweltökonomin in Rente? 25 Jahre lang habe sie für die UN gearbeitet, erzählte mir die Schwiegermutter eines Freundes, den ich gerade besuchte, weil er Vater geworden war. Das Wort „enkelfreundlich“ ging mir durch den Kopf – die Idee, mit der Umwelt so umzugehen, dass auch die übernächste Generation auf einem einigermaßen intakten Planeten lebt. Ein Begriff, der, wie ich finde, zu sehr auf die Verantwortung des Einzelnen abhebt, obwohl doch vor allem Unternehmen den Klimawandel mitverantworten.

Auch einige deutsche Unternehmen zählen zu den „Carbon Majors“, also denjenigen fossilen Produzenten, die die meisten Emissionen ausstoßen und damit den Klimawandel und letztlich die erhöhte Intensität und Häufigkeit von Wetterextremen mitverursachen. Die philippinische Menschenrechtskommission führt derzeit eine Untersuchung zur Verantwortung von Unternehmen für einen beschleunigten Klimawandel und sich daraus ergebenden Menschenrechtsverletzungen durch. Bei dem Taifun Haiyan aus dem Jahr 2013 beispielsweise waren auf den Philippinen Tausende Menschen ums Leben gekommen. Vor dem Oberlandesgericht Hamm klagt bereits ein peruanischer Bauer gegen RWE, weil er seine Existenz aufgrund eines schmelzenden Gletschers bedroht sieht. Menschen in Peru, auf den Philippinen und anderswo verlieren bereits heute ihre Lebensgrundlage aufgrund von Entscheidungen, die unter anderem deutsche, niederländische, englische, schweizerische, kanadische Unternehmen treffen. Die Vorstellung, dass wir uns mit unserer Lebensweise an einer zukünftigen Generation verschulden würden, ist damit überholt. Wir verschulden uns hier und heute. An Menschen, die jetzt leben.

Was für einen Planeten sieht das Baby meiner Freunde?

Das ändert nichts daran, dass ich kaum darüber nachdenken mag, was für einen Planeten der Sohn meiner Freunde vorfinden wird, wenn er so alt ist wie seine Großmutter, die für ihren Enkel kleine Elefanten auf seine Schmusedecke stickt. Wäre sie nicht in Rente, wäre sie vielleicht nach Kattowitz zur 24. Weltklimakonferenz gefahren. Immerhin handelt es sich um den Klimagipfel, der im Jahr der Zäsur stattfindet: Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimaforschung (PIK) sagt, dass das Jahr 2018 mit seiner Häufigkeit an Extremwetter-Katastrophen als das Jahr in die Geschichte eingehen werde, „in dem der Planet begonnen hat, uns seine Rechnung zu schicken“.

In Kattowitz sollen nun Unterhändler der Staaten Leitlinien zur Umsetzung des Abkommens von Paris ausarbeiten, die (leider nur) eine Orientierungshilfe für die Staaten sein sollen, wie sie ihre Pflichten umzusetzen haben. Vertragspartner sind indes noch alle Staaten der Welt – die USA haben ihren Ausstieg für 2020 angekündigt. Wir sollten aber Handeln und nicht Verhandeln: Selbst wenn die Staaten alle ihre in Paris selbst gesetzten Klimaziele einhielten, ist das Risiko hoch, dass der Planet langfristig in eine verheerende „Heißzeit“ eintritt, sagt nicht nur das PIK . Die Staaten können Pflichten hin- und herschieben, wie sie wollen. Mit dem Planeten lässt sich nicht feilschen. Sind die Grenzwerte einmal unumkehrbar überschritten, wird die beste Unterhändlerin des reichsten Staates keine Gletscher überreden können, nicht zu schmelzen.

„Was haben Sie nach 25 Jahren als Umweltökonomin am Tag nach Ihrer Pensionierung getan?“, fragte ich die Schwiegermutter meines Freundes. „Plastik“, antwortete sie, „ich habe den ganzen Tag lang Plastik am Strand eingesammelt. Viele Säcke voller Plastik.“

Deniz Utlu

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