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Schwerer Gang: Sebastian Kurz kommt zur Pressekonferenz.

© Leonhard Foeger/REUTERS

Neuwahlen in Österreich: Auch Kurz muss sich viele Fragen gefallen lassen

Die Anbeter des Kanzlers hoffen auf seine Anziehungskraft. Doch das FPÖ-Bündnis wird ihn im Wahlkampf belasten – genauso wie die ÖVP-Finanzen. Ein Kommentar.

Lange hat das Projekt, angeblich angelegt auf zehn Jahre, nicht gehalten. Gerade eineinhalb Jahre ist es her seit die Koalitionsregierung zwischen den auf rechtspopulistischen Kurs eingeschwenkten Christdemokraten von der ÖVP und der in Teilen rechtsradikalen FPÖ vom Bundespräsidenten angelobt wurde.

Nach dem Auftauchen des schockierenden „Ibiza-Videos“ liegt die Regierung des jungen Bundeskanzlers Sebastian Kurz in Trümmern. Nicht so schlimm, meinen viele seiner Anbeter: Dieser tolle junge Kanzler könnte doch bei den sofort ausgerufenen Neuwahlen der ramponierten FPÖ so viele Stimmen abnehmen, dass sich danach eine Koalition mit den Liberalen ausgeht. Der ebenfalls mit der FPÖ koalierende schwarze Kanzler Schüssel hatte seiner ÖVP 2002 mit eben dieser Strategie 40 Prozent eingefahren – die würden Kurz reichen, um einen reputierlicheren Koalitionspartner als die FPÖ an Bord zu holen und die ihm verhassten Sozialdemokraten weiterhin außen vor zu lassen.

Aber so einfach liegen die Dinge nach Ibiza nicht. Wie der Rechnungshof nach der letzten Nationalratswahl 2017 feststellte, hatte die FPÖ die limitierten Wahlkampfkosten um vier, die ÖVP ihre gar um sechs Millionen Euro überzogen (auf deutsche Verhältnisse umgelegt wären das 40 bzw. 60 Millionen). Bis heute weigern sich Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache anzugeben, woher diese beträchtlichen Summen kamen.

Nun nannte Strache in Ibiza namhafte Großspender – vom Pistolenhersteller Gaston Glock über die Milliardärin Heidi Horten bis zum Karstadt und Kaufhof-Käufer Rene Benko –, die auch die ÖVP finanziert hätten, wie er sagt (alle drei dementieren). Solche „Liebesgaben“ wären gesetzwidrig: Großspenden ab 50.000 Euro sind in Österreich sofort dem Rechnungshof zu melden.

Besonders hässlich: Auch von einem „gemeinnützigen Verein“, über den illegale Spenden laufen sollen, war in der Finca in Ibiza die Rede.

Trotz aller Warnungen holte Kurz die FPÖ in die Regierung

Strache stellt in dem denkwürdigen Video, obwohl noch Oppositionschef, bereits Regierungsaufträge für Straßenbau-Vorhaben in Aussicht. Das weist darauf hin, dass die FPÖ bereits damals – zwei Monate vor den Wahlen – mit Kurz handelseins war und der mit den Sozialdemokraten nur Scheinverhandlungen führte.

Vor allem aber wird Kurz in einem Wahlkampf mit dem Vorwurf konfrontiert sein, allen Warnungen zum Trotz diese mit Rechtsradikalen durchsetzte Partei in Regierungsämter geholt und ihr überdies hochsensible Ressorts überlassen zu haben. Der FPÖ-Innenminister Herbert Kickl etwa steht im Verdacht, gleich nach Amtsantritt eine überfallsartige Hausdurchsuchung bei seinem eigenen Geheimdienst, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, orchestriert zu haben, bei dem Belastendes gegen Rechtsextremisten mitgenommen wurde.

Dass nun bereits der dritte Versuch der FPÖ, ihre Regierungsfähigkeit zu beweisen, innerhalb kurzer Zeit gescheitert ist, zeugt vom Unvermögen des Rechtspopulismus, Politik umzusetzen. Ein Lehrstück auch für andere Staaten und nicht zuletzt für das nächste Woche zu wählende Europa-Parlament.

Herbert Lackner

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