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Kanzler Olaf Scholz während der Aufnahme der Neujahrsansprache.

© Reuters/Michael Kappeler

Neujahrsansprache von Kanzler Scholz: „Heute Nacht geht ein schweres Jahr zu Ende“

In Scholz’ Neujahrsansprache geht es vor allem um den Krieg in der Ukraine – und die Auswirkungen auf Deutschland. Ein weiteres Mal versucht er sich als Mutmacher.

Der thematische Unterschied zu seiner Premiere vor einem Jahr könnte kaum größer sein. Als Olaf Scholz seine erste Neujahrsansprache an die Bürgerinnen und -bürger richtete, ging es zwar ebenfalls darum, wie sehr die vergangenen zwölf Monate die Menschen gefordert hätten. Damals aber ging es um die Flut im Ahrtal und Corona. Der Kanzler warnte vor Omikron, appellierte sich impfen zu lassen.

Die Ukraine spielte vor Jahresfrist noch keine große Rolle. Russlands Angriffskrieg begann knapp acht Wochen später. Scholz rief Kremlchef Wladimir Putin damals nur kurz dazu auf, die „Unverletzlichkeit der Grenzen“ nicht infrage zu stellen.

Jetzt, in seiner Ansprache zum Silvesterabend 2022, deren Manuskript vorab zur Verfügung gestellt wurde, ist dieser Appell längst auf furchtbare Weise verhallt. „Heute Nacht geht ein schweres Jahr zu Ende“, stellt Scholz eingangs fest: „Viele machen sich Sorgen wegen des Kriegs. Wir fühlen mit den Ukrainerinnen und Ukrainern, die selbst an Tagen wie heute keine Ruhe haben vor den russischen Bomben und Raketen.“

Auf die anhaltende Debatte darüber, ob Deutschland der Regierung in Kiew in dieser Lage nicht auch Panzer zur Verfügung stellen müsste, geht der Kanzler nicht ein. Er konstatiert nur, dass Moskaus Kalkül eines schnellen militärischen Erfolges bisher nicht aufgegangen ist, und dass Deutschland einen Beitrag dazu geleistet hat: „Tapfer verteidigen die Ukrainerinnen und Ukrainer ihre Heimat – auch dank unserer Hilfe.“ Ohne Konkretisierung folgt die schon mehrfach gemachte Zusage, „die Ukraine weiter unterstützen“ zu wollen.

Vorrangig widmet sich der Kanzler dem eigenen Land, das durch die Ereignisse „auf eine harte Probe“ gestellt worden sei: „Wir alle spüren die Folgen dieses Kriegs auch in unserem Alltag: beim Einkaufen im Supermarkt, an der Tankstelle, oder wenn wir die Strom- oder Gasrechnung bezahlen.“

Wie schon in seiner Regierungserklärung vor wenigen Wochen versucht sich Scholz jedoch als Mutmacher in schwieriger Zeit. Er erinnert an das Zusammenstehen von Nato und EU: „Und wir in Deutschland sind nicht eingeknickt, als uns Russland im Sommer den Gashahn zugedreht hat.“

Für ihn ist es ein Beispiel für „Zusammenhalt und Stärke“, dass die Energieversorgung in diesem Winter trotzdem gesichert werden konnte. Er erwähnt das neue Flüssiggasterminal in Wilhelmshaven. Er dankt dafür, dass Privathaushalte und Firmen Energie gespart haben - und verbindet dies sogleich einen neuen Appell: „Das bleibt auch in den kommenden Monaten wichtig.“

Der Kanzler erzählt in der Neujahrsansprache von „dem überwältigenden Mitgefühl und der Hilfsbereitschaft, mit denen so viele von Ihnen den Geflüchteten aus der Ukraine begegnen“. Von einer persönlichen Begegnung mit einer ganzen Frauenfußballmannschaft mit ihren Kindern berichtet Scholz mit Stolz: „Das macht unser Land zu einem menschlicheren Land.“ 

Überhaupt sind die menschlichen Begegnungen das Thema des Mannes, dem so häufig Unnahbarkeit attestiert wird. Sie hätten ihn in seiner „Zuversicht bestärkt“, schrieb Scholz am Freitag auf seinem Instagram-Kanal. In der Ansprache würdigt er Polizisten, Feuerwehrleute, Soldaten, Handwerker, Ingenieure, Pfegekräfte oder Ehrenamtliche, die alle „an der Geschichte unseres Landes in dieser Zeitenwende schreiben“. Überall gebe es Orte, „wo man hart arbeitet“ und „füreinander da ist“.

Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist wie schon am Ende des Jahres 2021 sein Hauptthema, er bezeichnet ihn als „unser größtes Pfund“ – nur eben unter ganz anderen, noch dramatischeren Vorzeichen.

Der Beitrag seiner Regierung in Form von Entlastungspaketen und Preisdeckeln vergisst Scholz dabei nicht. Erwähnung finden auch die gesetzlichen Neuerungen, die am Neujahrstag in Kraft treten – Wohngeld, Kindergeld, Steuerentlastungen.

Sicher werden nicht alle Zuschauerinnen und Zuschauer das Gefühl haben in einem Land zu leben, das laut Scholz „mit Tatkraft und Tempo an einer guten, sicheren Zukunft arbeitet“ und in dem „wir niemanden zurücklassen“. Es ist nicht so leicht, in diesen Zeiten Mut zu machen. Zumindest versucht es der Kanzler in seiner Ansprache, die das ZDF um 19:15 Uhr und die ARD um 20:10 Uhr zeigt.

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