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 Karim Khan, der neue Chefankläger, hat bereits als Verteidiger am Internationalen Strafgerichtshof gearbeitet.

© dpa

Neuer Chefankläger in Den Haag: Auf den Briten Karim Khan warten politisch brisante Fälle

Der Internationale Strafgerichtshof wird von den USA und Israel angefeindet. Da braucht der neue Chefankläger viel Standfestigkeit. Ein Porträt.

Politik, Moral und Recht muss der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag in Einklang bringen – bei so schwierigen Anklagen wie wegen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Den Chefanklägern kommt dabei eine entscheidende Rolle zu: Ihre Arbeit entscheidet maßgeblich darüber, ob es zur Anklage und vor allem zu Verurteilungen kommt.

Der Brite Karim Khan, der von den Mitgliedsstaaten des Gericht jetzt in diese Funktion gewählt wurde, tritt die Nachfolge von Fatou Bensouda an.

Die Bilanz ihrer neunjährigen Amtszeit fällt mager aus: Zu viele Prozesse schleppten sich dahin oder endeten mit Freisprüchen wegen unzureichender Beweise und schwacher Anklageschriften – wie im Verfahren gegen den Ex-Präsidenten der Elfenbeinküste Laurent Gbagbo. Zudem gibt es den Vorwurf, der Gerichtshof werde nur in Afrika aktiv.

Seine Vorgängerin haben die USA mit Sanktionen belegt

Doch das könnte sich gerade ändern, und so erwarten den 50-jährigen Briten, der sich erst im zweiten Wahlgang gegen drei Gegenkandidaten durchsetzen konnte, politisch brisante Fälle: In Afghanistan laufen seit einiger Zeit Ermittlungen zur Frage, ob neben Taliban und Armee auch US-Soldaten in Kriegsverbrechen involviert waren, wofür die Trump-Regierung Chefanklägerin Bensouda mit persönlichen Sanktionen belegte. Die USA betrachten das ICC als nicht zuständig für ihre Bürger.

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Auch Nahost könnte ein Fall für Khan werden: Erst vor wenigen Tagen erklärte eine Vorverfahrenskammer den ICC für zuständig für Konflikte in den seit 1967 von Israel besetzten Gebieten im Westjordanland, Gazastreifen und Ost-Jerusalem.

Damit kann das Haager Gericht nach eigener Ansicht über mögliche Kriegsverbrechen Israels – und auch der Hamas – befinden. Die ICC-Zuständigkeit wird aber von den USA und Israel und auch von Deutschland nicht anerkannt.

Karim Khan, der derzeit die UN-Untersuchung zu Kriegsverbrechen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Irak leitet, bringt ausreichend juristische Erfahrung mit: Er war Ankläger bei den UN-Tribunalen zu Ruanda und Ex-Jugoslawien und bereits als Verteidiger vor dem ICC tätig.

Doch er braucht mehr: diplomatisches Geschick angesichts der Feindseligkeit einiger Staaten und weil selbst Mitgliedsstaaten nicht immer kooperieren. Und dann sollte er auch noch die Behörde selbst revolutionieren: Eine Kommission bescheinigte dem Gericht letztes Jahr, bürokratisch, unbeweglich und ineffizient zu sein. Andrea Nüsse

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