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Ein Porträt von dem FDP-Abgeordneten Jimmy Schulz.

© Sonja Och

Zum Tode von Jimmy Schulz: „Netzpolitiker der ersten Stunde“

Jimmy Schulz war der erste Abgeordnete, der eine Bundestagsrede vom Tablet ablas. Aber nicht nur deshalb galt er als digitalpolitischer Vorreiter. Ein Nachruf.

„Ich liebe das Leben“, sagte Jimmy Schulz: „Aber ich habe keine Angst vor dem Tod. Das ist für mich in Ordnung, dass ich sterbe.“

Es ist nur einer von vielen bewegenden und bemerkenswerten Sätzen aus dem Interview, das der FDP-Politiker im Sommer dem „Spiegel“ gegeben hat. Fünf Monate vor seinem Tod sprach Schulz im Juni über seine Krebserkrankung. Darüber, wie wichtig das Digitale in solchen Situationen wird – und wie gerne er auf dem Internet Governance Forum (IGF) „mit schlauen Köpfen aus der ganzen Welt über das Thema digitale Aufklärung diskutieren“ würde.

Dass bei der UN-Internetkonferenz in Berlin erstmals Parlamentarier aus aller Welt zusammenkommen, um über die Herausforderungen des Netzes zu diskutieren, ist vor allem Schulz zu verdanken, der die Idee als FDP-Digitalpolitiker und Vorsitzender des Bundestagsausschusses Digitale Agenda (ADA) vorangetrieben hat. Doch Schulz selbst konnte an dem gestrigen Treffen nicht mehr teilnehmen. Er ist am Montag – dem ersten Tag der Konferenz – nach seiner schweren Krankheit im Alter von 51 Jahren in München verstorben.

FDP-Parteichef Christian Lindner würdigte Schulz gestern als „Netzpolitiker der ersten Stunde“. Entschlossen habe er für die digitale Selbstbestimmung gekämpft: Etwa gegen die Vorratsdatenspeicherung, die Online-Durchsuchung und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz.

Schon in der Legislaturperiode von 2009 bis 2013 hatte Schulz für digitale Bürgerrechte, IT-Sicherheit und ein stärkeres Engagement der Politik fürs Digitale gestritten, auch als Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft. 2010 war er der erste Abgeordnete, der eine Rede im Bundestag von einem Tabletcomputer ablas. Seit 2017 war er wieder Mitglied des Bundestags, übernahm den Vorsitz des Digitalausschusses – sein Vorteil: Er kannte das Thema IT auch von der praktischen Seite.

Mandat trotz Krankheit fortgeführt

Schulz war zwar Politologe, doch schon während seiner Schulzeit arbeitete er bei verschiedenen IT-Unternehmen. 1995 gründete er das IT-Dienstleistungsunternehmen CyberSolutions GmbH, das unter anderem das erste WLAN-Netz im Englischen Garten in München eingerichtet hat. Als geschäftsführender Gesellschafter war er noch während seiner Zeit im Bundestag für das Unternehmen tätig. Schulz engagierte sich auch ehrenamtlich für seine Überzeugungen, gründete beispielsweise 2014 den liberalen digitalpolitischen Verein Load und blieb dessen Vorsitzender bis April 2018.

Ein Porträt von dem FDP-Abgeordneten Jimmy Schulz.
Ein Porträt von dem FDP-Abgeordneten Jimmy Schulz.

© Christine Olma / picture alliance / dpa

Dass Schulz sein Bundestagsmandat trotz der Krankheit weiterführen konnte, war auch dank digitaler Technik möglich. Über Videokonferenzen konnte er beispielsweise weiter an den Sitzungen seiner Fraktion teilnehmen. Dass digitale Abstimmungen auch im Plenarsaal des Bundestages möglich werden sollen, wünscht sich Schulz im „Spiegel“-Interview. Er habe mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) darüber gesprochen, dass auch Menschen mit Einschränkungen am politischen Leben teilhaben sollen. Bis zuletzt hatte sich der über Parteigrenzen hinaus geschätzte Vordenker Schulz über soziale Medien wie Twitter in aktuelle Debatten eingebracht und Themen über die Ausschussarbeit vorangetrieben.

Einer seiner letzten öffentlichen Auftritte liegt nur wenige Wochen zurück. Mitte Oktober ernannte ihn die FDP Oberbayern zum Ehrenvorsitzenden. „Das war einer der schönsten Momente, an die ich mich erinnern kann“, schrieb Schulz auf Twitter. Auch, weil sein Vorbild, die ehemalige FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Laudatio auf ihn hielt.

Digitalpolitik in Mitte des Parlaments geholt

Die Mitglieder des Digitalausschusses erklärten gestern, dass Schulz die Digitalpolitik in die Mitte des Parlaments geholt habe. Er habe den Kampf gegen den Krebs leider verloren – den für die digitale Aufklärung aber nicht.

Warum Deutschland diese Aufklärung federführend vorantreiben und dabei „German Mut als unseren Markenkern in der digitalisierten und vernetzten Welt nach außen zu tragen“ sollte, hatte Schulz noch Anfang September in einem Gastbeitrag für Tagesspiegel Background geschrieben.

Dass Digitalisierung aber auch ihre Grenzen haben muss, betonte er ebenfalls im „Spiegel“. So könne er der Idee von Internetmilliardären, das Gehirn eines Menschen zu digitalisieren und ihn per Avatar weiterleben zu lassen, nichts abgewinnen: „Die Gesellschaft hat immer davon profitiert, dass Menschen auch irgendwann mal gehen und deswegen etwas Neues entstehen kann. Wenn ich in hundert Jahren immer noch denselben Quark erzähle, wäre das das Ende von Innovation.“

Was er sich aber gut vorstellen könne – einen QR-Code auf seinem Grab, damit man dort mehr als nur Name, Geburts- und Todesdatum erfährt. Er selbst sagte: „Das finde ich eine witzige Idee.“

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