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Vor dem House of Parliament in London.

© REUTERS/Clodagh Kilcoyne

Nein zum Brexit-Deal: Nach Mays Niederlage bereitet sich Europa auf einen harten Brexit vor

Theresa May hat eine historische Niederlage im Unterhaus erlitten. Offenbar glauben nun nicht mehr viele Europäer an einen Ausweg aus der Sackgasse.

Es ist die schwerste Niederlage, die je eine Regierung im britischen Unterhaus erlitten hat: Mit 432 zu 202 Stimmen haben am Dienstagabend die Abgeordneten im Unterhaus das Abkommen zum Brexit abgelehnt, das Regierungschefin Theresa May mit der EU ausgehandelt hatte. Dabei stimmten auch 118 Tories aus Mays eigener Partei gegen die Regierungschefin. Mit dem überwältigenden "Nein" zu dem Abkommen ist jetzt wieder völlig offen, wie es in Sachen EU-Austritt weitergeht. In jedem Fall aber ist die Gefahr jetzt gestiegen, dass es am 29. März zu einem harten Brexit, also einem Austritt ohne Abkommen aus der EU kommt.

In einer ersten Reaktion direkt nach Verkündung des Ergebnisses erklärte May, wie es jetzt aus ihrer Sicht weitergehen soll. Das Unterhaus habe zwar deutlich gemacht, was es nicht wolle, sagte die Regierungschefin, klar sei aber nach wie vor nicht, was, die Abgeordneten wollten. Sie wolle deshalb jetzt parteiübergreifende Gespräche führen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Zudem kündigte sie neue Verhandlungen mit Brüssel an. Noch kurz vor der Abstimmung hatte May dagegen im Unterhaus für ein "Ja" zum Abkommen geworben, unter anderem mit der Begründung, die EU werde nicht zu Nachverhandlungen bereit sein. Eben dies bekräftigte auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz in einer direkten Reaktion auf die Abstimmung.

Allerdings muss sich May am Mittwochabend erst einmal einem Misstrauensvotum stellen, dass Oppositionschef Jeremy Corbyn eingebracht hat. Sollte sie dieses verlieren, käme es wohl zu Neuwahlen. Allerdings ist diese Möglichkeit eher unwahrscheinlich. Zumal May bereits vor einigen Wochen einen Misstrauensantrag aus den eigenen Reihen überstanden hat, und auch die ihr Koalitionspartner, die nordirische DUP bereits angekündigt hat, sie bei dem Votum zu unterstützen. Bei der Abstimmung über das Abkommen mit der EU war das nicht der Fall gewesen. Die DUP war aufgrund des sogenannten Backstops, der Regelung zur Grenze zwischen Irland und Nordirland, vehement dagegen gewesen.

May möchte am Montag im Parlament darstellen, wie sie weiter zu verfahren gedenkt. Allerdings kann auch aus dem Parlament heraus ein eigener Vorschlag zum weiteren Verfahren erarbeitet werden, der dann in Brüssel erneut vorgelegt werden könnte. Mehrere Szenarien dazu, wie es jetzt weitergehen könnte, können Sie hier lesen.

Dass May die Abstimmung am Dienstagabend verlieren würde, war erwartet worden. Dennoch waren die Reaktionen auf das Ergebnis bestürzt und besorgt. EU-Kommissionspräsident Donald Tusk ging am weitesten und legte den Briten ziemlich unverblümt den Verbleib in der EU nahe: "Wenn ein Abkommen unmöglich ist und keiner einen Austritt ohne Abkommen will, wer wird dann letztlich den Mut haben, zu sagen, was die einzige positive Lösung ist?" EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bedauerte den Ausgang des Votums. Das Risiko eines unordentlichen EU-Austritts des Landes sei damit gestiegen, sagte er. Man hoffe den Weg zu vermeiden, bereite sich aber darauf vor. Das Vereinigte Königreich müsse nun seine Absichten so bald wie möglich klar machen. "Die Zeit ist beinahe abgelaufen.

Bei der Debatte im Unterhaus sah es auch nicht so aus, als ob ein zweites Referendum als Ausweg aus der Sackgasse inzwischen wahrscheinlicher geworden wäre. Und so bereiten sich offenbar die Europäer nun weiter auf einen harten Brexit vor. Die irische Regierung will sich intensiv auf die Folgen eines Brexits ohne Abkommen vorbereiten, hieß es nach der Abstimmung in Dublin. Nach der Ablehnung des zwischen London und der EU ausgehandelten Austrittsabkommens durch das Unterhaus in London kündigte Irland an, die Vorbereitungen zu verstärken: "Bedauerlicherweise hat der Ausgang der Abstimmung heute Abend das Risiko eines ungeordneten Brexits erhöht. Folglich wird die Regierung ihre Vorbereitungen auf ein solches Ergebnis weiter intensivieren."

Frankreichs Regierungschef Emmanuel Macron zufolge hat die EU beim gegenwärtigen Abkommen so viele Zugeständnisse gemacht wie sie kann. Sollte es zu einem ungeordneten Brexit kommen, würden zuallererst die Briten verlieren, sagte er. Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel kündigt an, die Vorbereitungen auf einen ungeordneten Brexit jetzt auf Hochtouren laufen zu lassen.

In Deutschland klang die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nicht ganz so strikt. Sie sprach von einem "traurigen Abend". Eine solche klare Ablehnung habe man nicht erwartet. "Wir müssen jetzt einen kühlen Kopf bewahren, auch wenn das Herz wirklich schwer ist." Es sei noch Zeit bis Ende März, um einen ungeregelten Brexit abzuwenden. "Jetzt muss man schauen, wie sich die Dinge in London weiter entwickeln." Die EU sei gefragt. "Natürlich hat Deutschland eine besondere Rolle in Europa und auch in dieser Diskussion."

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