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Wohin steuern die Nato und Deutschland

© REUTERS/Piroschka Van De Wouw

Nato-Gipfel in Vilnius: Ist Deutschland ein guter Verbündeter?

In dieser Woche tagt die Nato in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Dabei geht es auch um die Rolle Deutschlands in dem Militärbündnis. Drei Experten analysieren die Lage.

Von
  • Hans-Lothar Domröse
  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann
  • Roderich Kiesewetter

Unternimmt Deutschland im Nato-Bündnis genug? In unserer Serie „3 auf 1“ erklären drei Experten, was jetzt zu tun ist. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Kein europäisches Land macht mehr für die Ukraine als Deutschland

Deutschland steht in der Nato heute viel besser da, als das noch vor zehn oder 15 Jahren der Fall war. Wir haben uns in Afghanistan anfangs den bequemeren Norden ausgesucht, während Amerikaner und Briten im Süden in heftige Kämpfe verwickelt wurden.

Inzwischen müssen wir uns aber nicht mehr verstecken gegenüber den europäischen Nato-Mitgliedern – die USA sind eine Kategorie für sich. Wir sind dann nicht nur bis zum Schluss am Hindukusch geblieben, als beispielsweise die Briten schon längst weg waren.

Seit mehreren Jahren übernehmen wir schon Verantwortung an der Ostflanke, die nun noch einmal massiv ausgebaut wird mit der Brigade von rund 4000 Mann, die dauerhaft in Litauen stationiert werden soll. Mit dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr gleichen wir Versäumnisse der Vergangenheit aus.

Im nächsten Jahr wird die Bundesrepublik erstmals das Zwei-Prozent-Ziel der Nato schaffen. Und bei der Unterstützung der Ukraine macht kein Land in Europa mehr. Diese neue deutsche Verantwortung wird auch in Vilnius anerkannt werden.


Kanzler Scholz sollte sich dafür einsetzen, dass die Ukraine Nato-Mitglied wird

Deutschland wirkt leider unzuverlässig, seit es durch die Russlandpolitik und Verzögerungen der Ukraine-Unterstützung massiv an Vertrauen besonders in Mittel- und Osteuropa verliert. Statt Anwalt Osteuropas zu sein und Führung zu übernehmen, werden Bündnispflichten nicht eingehalten und Versprechen zurückgenommen oder abgeschwächt.

Deutschland hält sich nicht an die 2-Prozent-Verpflichtung, die dauerhafte Stationierung einer Brigade in Litauen war zwischenzeitlich fraglich, 30.000 Bundeswehr-Soldaten ab 2025 inklusive Vollausstattung werden als unrealistisch erklärt: Die Bundeswehr könne „Verpflichtungen gegenüber der Nato nur eingeschränkt wahrnehmen“.

Damit wir wieder zuverlässiger Partner werden, sollte sich der Kanzler klar für eine rasche Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato – sobald es die Sicherheitsbedingungen zulassen – einsetzen, ihre militärische Unterstützung verstärken, ab sofort zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts für Verteidigung als Untergrenze ohne Tricks erfüllen und die Rüstungsproduktion ankurbeln.


Deutschlands Verlässlichkeit wird immer wieder auf die Probe gestellt werden

Mit etwas Verspätung füllt Deutschland nun in der Nato die Rolle aus, die der größten europäischen Volkswirtschaft zukommt. Zum Glück ist vor einigen Monaten auch der ein oder andere im Kanzleramt aufgewacht.

Seither entsprechen Quantität und Qualität der Waffenlieferungen an die Ukraine dem, was unsere Verbündeten von uns erwarten dürfen. Es ist auch ein positives Zeichen, dass das Land, das jahrelang seine finanziellen Nato-Verpflichtungen nicht erfüllt hat, schon vor Gipfelbeginn anstandslos zwei Prozent der Wirtschaftsleistung als Minimum für die Zukunft akzeptiert hat.

Wir müssen aber auch liefern, wenn 2026/2027 ein neuer Haushalt ohne Sondervermögen aufgestellt wird. Auch das politisch richtige Signal, in Litauen dauerhaft eine ganze Brigade zu stationieren, muss erst einmal umgesetzt werden.

Das wird nicht einfach, weil unser Land es gar nicht gewohnt ist, Soldatinnen und Soldaten zusammen mit ihren Familien dauerhaft im Ausland zu stationieren. Unsere Verlässlichkeit als guter Nato-Partner wird in den nächsten Jahren immer wieder neu auf die Probe gestellt werden.

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