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Ein türkischer Offizier, der nach Griechenland geflüchtet ist, wird von einem Polizisten zum Gericht geführt.

© REUTERS

Nach dem Putsch in der Türkei: Türkische Offiziere wollen Asyl in Griechenland

Acht türkische Offiziere sind in der Putschnacht auf spektakuläre Weise nach Griechenland geflüchtet Jetzt werden sie vor Gericht angehört. In der Türkei drohen Ihnen Folter und Tod.

Sie hatten den Auftrag, Verletzte zu bergen, und als sie in der Putschnacht in Istanbul unter Beschuss durch die schwer bewaffnete türkische Polizei kamen, trafen Feridun Çoban und seine Kollegen eine Entscheidung, die zu einer Staatsaffäre geworden ist. Die acht türkischen Soldaten ließen am Morgen nach dem Coup vom 15. Juli angeblich zwei Hubschrauber in Istanbul zurück und flogen zusammen in einem dritten über die nahe Grenze nach Griechenland. Fünf Wochen nach dem Putsch und der Flucht ist der 36-jährige Hauptmann Çoban am Freitag als Erster von der Asylbehörde in Athen angehört worden. Die zeigt sich gelassen angesichts des Drucks aus Ankara: Vor Oktober oder November wird es keine Entscheidung über eine Auslieferung geben, so hieß es.

Für die griechische Regierung ist der Fall der acht Soldaten allerdings recht heikel. Kaum ein Tag vergeht, an dem die türkische Führung und deren Diplomaten nicht wegen der geflüchteten Soldaten nachbohren. In zwei Telefongesprächen mit Alexis Tsipras äußerte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan die Erwartung, dass die „Verräter“ kurzerhand überstellt werden. Noch am Donnerstag, kurz vor der Anhörung des ersten Soldaten, telefonierte Tsipras mit Ministerpräsident Binali Yildirim. Um Zusammenarbeit bei der Energieversorgung und in Justizfragen sei es gegangen, ließ Tsipras’ Amt vage verlauten. Der griechische Regierungschef warb offensichtlich einmal mehr um Verständnis für den Rechtsweg.

Schlechte Beziehungen zur Türkei kann sich Griechenland nicht leisten. Vor allem wegen der Flüchtlingskrise ist Athen vom Wohlwollen seines großen Nachbarn angewiesen. Wohl nicht zufällig fanden am Freitag gleich 185 Flüchtlinge an der türkischen Küstenwache vorbei den Weg nach Lesbos.

Griechenland will nicht verantwortlich sein

In den ersten Wochen nach dem gescheiterten Putsch war in den türkischen Medien spekuliert worden, die Hubschrauberbesatzung sei in Wahrheit an dem Angriff auf das Hotel beteiligt gewesen, in dem Erdogan in der Putschnacht mit seiner Familie war. Doch schon die Flugstrecke scheint zu lang für diese Theorie – vom Urlaubsort Marmaris an der Mittelmeerküste über Istanbul nach Alexandroupolis in Nordgriechenland, wo der Sikorsky-Hubschrauber am 16. Juli kurz vor Mittag gelandet war.

Zwei Majore, vier Hauptmänner und zwei Ingenieure saßen in der Maschine. Die Bordbewaffnung sollen sie vor dem Eintritt in den griechischen Luftraum abgeworfen haben. Ihre Schulterabzeichen hatten die Soldaten abgenommen, als sie in Alexandroupolis, der ersten größeren Stadt nach der Grenze, landeten. Wegen illegalen Grenzübertritts wurden die türkischen Soldaten zu zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, was einigen Spott hervorrief; eine Wiederholung der Tat scheint wenig wahrscheinlich.

Ihr Antrag auf Asyl ist komplizierter. Drei griechische Anwältinnen übernahmen die Verteidigung. Die Soldaten seien sicher, bei einer Rückkehr in die Türkei gefoltert und umgebracht zu werden, gab eine der Rechtsanwältinnen an. „Wir werden so oder so tot sein“, zitierte Vasiliki Marinaki einen der Mandanten.

Die Anhörung der türkischen Soldaten läuft nächste Woche von Dienstag bis Donnerstag weiter. Über ihre Rechtsvertreter kündigten sie bereits an, bei einer Ablehnung ihrer Asylanträge zum Europäischen Gerichtshof zu gehen. Für die griechische Regierung wäre das eine praktische Lösung. Eine einstweilige Verfügung würde die Abschiebung aussetzen, Athen wäre die Verantwortung für den Fall los.

Es sind allerdings nicht die einzigen Sorgen der Griechen nach dem Putsch im Nachbarland. Zwei Militärattachés der türkischen Botschaft in Athen haben sich Anfang August mit ihren Familien auf einer Fähre nach Italien abgesetzt; dass der griechische Geheimdienst nicht über die Bewegungen des militärischen Botschaftspersonals informiert war, ist kaum vorstellbar.

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