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Umrisse einer möglichen Einigung haben sich beim Migrationsgipfel am Freitagabend zumindest zwischen Bund und Ländern gezeigt.

© dpa/Britta Pedersen

Nach dem Migrationsgipfel: Scholz ist sich mit den Ländern fast einig – nicht aber mit Merz

Alle Beteiligten loben nach dem Spitzengespräch die konstruktiven Gespräche. Während die Ministerpräsidenten einem Durchbruch entgegensehen, stellt Oppositionschef Merz neue Forderungen auf.

CDU-Chef Friedrich Merz ist am Freitagabend als Erster eingetroffen. Eine Viertelstunde unterhielt er sich allein mit Kanzler Olaf Scholz, ehe die Ministerpräsidenten Boris Rhein und Stephan Weil hinzustießen. Freundlich, konstruktiv, an der Lösung der Migrationsprobleme orientiert – so lautete unisono danach die Bewertung. „Bundesregierung, Länder und die größte Oppositionspartei bewerten viele Punkte ähnlich“, konnte Scholz am Samstag unwidersprochen mitteilen.

Besonders der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom Freitagmittag, mit dem Rhein und Weil aus Frankfurt angereist waren, stieß auf viel Wohlwollen. Er enthält etwa die Forderung nach einer Bezahlkarte für Asylbewerber, nach bei der EU offiziell angemeldete Grenzkontrollen, nach Rückführungen direkt von deutschen Flughäfen aus, aber auch die prioritäre Bearbeitung von Asylanträgen von Menschen aus Staaten mit einer bisherigen Schutzquote von unter fünf Prozent.

„Der Bundeskanzler hat sich sehr zufrieden gezeigt mit den Beschlüssen der MPK“, berichtete Parteifreund Weil. Er pries die Vorschläge als schnell umsetzbar durch Verwaltungshandeln: „Der vielleicht innovativste Teil unserer Beschlussfassung beruht darauf, dass wir keine gesetzlichen Änderungen brauchen.“

Optimistische Länderchefs

Als neuer Vorsitzender der Länderrunde halt auch CDU-Mann Rhein eine Einigung auf Basis der von ihr erstellten „Blaupause“ nun für möglich: „Das wäre ein Weg für Deutschland – und nach meinem Eindruck sind der Bundeskanzler und der Oppositionsführer bereit, diesen Weg mit uns zu gehen.“

Der Fahrplan für das weitere Vorgehen ist zumindest auf Bund-Länder-Ebene klar. Der Termin für das nächste Spitzentreffen am 6. November steht schon lange fest. „Bis zur MPK in knapp drei Wochen“, teilte Scholz mit, „diskutieren Bund und Länder nun die noch offenen Fragen.“ Das sind vor allen die finanziellen, die am Freitag noch weitgehend ausgeklammert wurden.

10.500
Euro pro unterzubringenden Flüchtling fordern die Länder vom Bund.

Die einzige Irritation, möglicherweise auch beim einigungswilligen Parteifreund aus Hessen, löste Unionsfraktionschef Merz mit einem Papier aus, das einige Punkte der Länder aufgreift, aber teils weit darüber hinausgeht. Wie im Anschluss zu hören war, soll es in dem Gespräch gar keine Rolle gespielt haben, sondern gegen Ende nur an Scholz übergeben worden sein.

Fordernder Oppositionsführer

Es enthält nicht nur für die Ampel schwer zu erfüllende Forderungen nach einem Aufnahmestopp aus Afghanistan, Abschiebezentren oder einem Verzicht auf das Projekt erleichterter Einbürgerungen. Merz will auch, dass Scholz sich in einer Regierungserklärung hinter das Ziel von maximal 200.000 Aufnahmen pro Jahr stellt und an potenzielle Flüchtlinge wendet. „Der Appell müsste lauten“, so sagt er es der „Welt“: „Macht Euch bitte erst gar nicht auf den Weg.“ Wie in Berlin zu hören war, steht der Kanzler diesem Ansinnen skeptisch gegenüber.

Ob es zwischen Regierung und Opposition weitere Gespräche in der Sache geben wird, ist daher noch nicht ausgemacht. Selbst aus Unionskreisen hieß es am Samstag nur, dass der Kanzler das Papier lediglich „zur Kenntnis genommen“ habe. Man erwarte eine Reaktion darauf jedoch im Laufe der nächsten Woche.

Die Grünen wollten sich am Samstag nicht zu dem Papier äußern, die Regierungsfraktionen von SPD und FDP zeigten sich jedoch gesprächsbereit. „Wir freuen uns, dass nach Ende des Wahlkampfes die Union nun ihre neuen Ideen zu Papier gebracht hat“, sagte Sebastian Hartmann, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, dem Tagesspiegel: „Diese werden selbstverständlich wie die Koalitionsvorschläge oder die jüngsten, sehr konkreten Vorstöße unseres Bundeskanzlers in enger Abstimmung mit den Ländern schon in den nächsten Wochen zu Beratung und dann zu belastbaren Ergebnissen führen.“

FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle begrüßte die offenbar konstruktive Gesprächsatmosphäre vom Vorabend ebenfalls: „Angesichts der angespannten Lage für viele Städte und Gemeinden ist es ermutigend, wenn die demokratischen Parteien über die Grenze zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen hinweg zur Lösung der Migrationskrise zusammenarbeiten.“

Druck in diese Richtung kommt weiter von Städten, Gemeinden und dem Deutschen Landkreistag, wie deren Präsident Reinhard Sager dem Tagesspiegel erklärte: „Man muss sich einigen. Das ist die ganz klare Erwartungshaltung der Kommunen“. Er fordert neben schnelleren Verfahren und mehr Grenzschutz auch Zentren zur Registrierung Ankommender auf Flughäfen und entlang der Grenze: „Wenn es solche Zentren dereinst auch an den europäischen Außengrenzen gibt – umso besser“, erklärt Sager: „Aber bis dahin müssen wir für Deutschland vorangehen.“

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