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Ein Airbus im Landeanflug auf den Frankfurter Flughafen. Die Branche wünscht sich bessere Risikoeinschätzungen für den Überflug von Krisengebieten.

© dpa

Nach dem Flugzeugabschuss über der Ukraine: Airlines verlangen Informationen über Sicherheitsrisiken

Fluggesellschaften und Luftfahrtorganisation setzen auf den zuverlässigen Austausch von Kenntnissen, um Katastrophen wie den MH17-Abschuss zu vermeiden. Dabei wünschen sie sich auch Informationen von Geheimdiensten.

Die Fluggesellschaften fordern als Konsequenz aus der Katastrophe des Abschusses des malaysischen Flugs MH17 neue sichere Informationskanäle über Risiken beim Überflug über Konfliktgebiete. MH17 habe eine Lücke und Mängel im Informationsfluss offenbart. Die Regierungen und Geheimdienste seien gefordert, ihre Kenntnisse zuverlässig und klar mitzuteilen, hieß es auf einer von der Internationalen Zivilen Luftfahrtorganisation Icao einberufenen Konferenz in Montreal.

Der Abschuss von MH17 hätte nicht passieren müssen

Der Abschuss von MH17 sei eine „Katastrophe, die nicht hätte passieren müssen“, klagte Tony Tyler, Generaldirektor des Fluglinienverbandes Iata. Den Fluggesellschaften sei gesagt worden, „dass Flüge über 32 000 Fuß, die die Ukraine überfliegen, nicht gefährdet seien. Wir wissen jetzt, wie falsch diese Einschätzung war“. Bei der Risikobewertung und der Weitergabe von Informationen sind nach Ansicht der Luftfahrtindustrie zunächst die Regierungen in der Pflicht. „Wir brauchen klare und verlässliche Informationen“, sagte Tyler. Letztendlich aber müsse es die Entscheidung einer Fluggesellschaft bleiben, ob sie aufgrund der  Informationen eine Route fliege, erklärten Vertreter der Zivilluftfahrt in Montreal.

Dringlichkeitssitzung der UN-Luftfahrtorganisation

Die International Civil Aviation Organization (Icao), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, hatte die Dringlichkeitssitzung wegen des Abschusses des von Flug MH17 über der Ukraine am 17. Juli einberufen. Der Tod von annähernd 300 Menschen war ein Schock für die zivile Luftfahrt und warf die Frage auf, wer das Risiko bewertet, das von bewaffneten Konflikten ausgeht. Es ging auch darum, wie Icao, nationale Transportministerien und die Fluggesellschaften kooperieren, und wie Kenntnisse und Warnungen ausgetauscht werden. An dem Treffen nahmen auch die International Air Transport Association (Iata), der Verband der Flughafenbetreiber ACI und der Verband der  Navigationsdienstleister Canso teil.

Luftfahrt in Krisengebieten

Die beteiligten Organisationen betonten, dass die Luftfahrt mit rund 100 000 sicheren Starts und Landungen pro Tag die sicherste Transportart der Geschichte sei. Es gehe jetzt aber darum zu klären, wie sich „potenzielle Risiken für die Zivilluftfahrt, die sich aus Krisengebieten ergeben, wirkungsvoller vermindern lassen“, sagte Olumuyiwa Benard Aliu, Präsident des Icao-Rates. Beschlossen wurde die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, die ein System für die  Sammlung und Weiterleitung der Informationen ausarbeiten soll. Die Task Force müsse Vorschläge unterbreiten, die  sicherstellen, „dass die richtigen Informationen die richtigen Leute zur richtigen Zeit erreichen“, hieß es in der Montrealer Erklärung. Im Februar 2015 soll auf einer Konferenz aller 191 Mitgliedsstaaten der Icao über weitere Maßnahmen zur Sicherung der Zivilluftfahrt beraten werden.

Entsetzen, dass nicht alle Opfer geborgen sind

Iata-Chef Tony Tyler äußerte sich entsetzt, dass fast zwei Wochen nach dem Unglück immer noch nicht alle Opfer geborgen worden seien und den Ermittlern der Zugang zur Absturzstelle verwehrt werde. Tyler und andere forderten, dass auch Erkenntnisse, die den Geheimdiensten vorlägen, geteilt werden müssten. Es gehe nicht darum, dass Geheimdienste neue Informationen sammeln, sondern um das Mitteilen bereits vorhandener Kenntnisse. Wenn Geheimdienste Informationen haben, sollten sie es teilen. In ihrer Deklaration weisen Icao und die beteiligten Organisationen aber auch darauf hin, dass es sich dabei um ein „hoch komplexes und politisch sensibles Gebiet der internationalen Kooperation“ handele.

Die Auswirkungen der Gaza-Krise

Neben der MH17-Tragödie hatten die vorübergehende Absage von Flügen nach Tel Aviv nach dem Beschuss des Ben Gurion-Flughafens durch die Hamas den Montrealer Beratungen zusätzliche Bedeutung gegeben. Das Wirrwarr um die Sicherheit des Flughafens Ben Gurion löst in der Branche Unbehagen aus. Während Israel den Flughafen für sicher erklärte, untersagte die US-amerikanische FAA alle Flüge von US-Linien nach Tel Aviv, während Europas Flugsicherheitsagentur empfahl, dass europäische Fluggesellschaften nicht nach Tel Aviv fliegen sollten. Das sind nicht die klaren Vorgaben, die sich die Industrie wünscht. Wie sich widersprüchliche Einschätzungen künftig vermeiden lassen und wie es im Falle von Ländern wie Ukraine ist, in denen die Regierung nicht mehr die Hoheit über das ganze Territorium hat, sind Fragen, denen sich die Task Force stellen muss.

Sollen Flugabwehrraketen verboten werden?

Während für Luftfahrtindustrie und Icao der verbesserte Informationsfluss ein kurzfristiges Ziel ist, formulieren sie zugleich ein langfristiges: das Problem der Flugabwehrraketen zu lösen. Sie schlagen vor, Herstellung und Umgang mit solchen Waffen auf der Ebene des internationalen Rechts zu lösen. Vorbild könnten die Verträge über nukleare, chemische und biologische Waffen sein. Kriegswaffen wie Flugabwehrraketen sind im Besitz nichtstaatlicher Gruppen, von Rebellen oder Bürgerkriegsparten. Aber es gebe kein internationales Recht, das sich mit diesen Waffen befasse. „MH17 zeigt uns, dass eine Lücke im internationalen System besteht, die geschlossen werden muss", sagte Tyler.

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