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Duell ohne Sieger: Winfried Kretschmann und Susanne Eisenmann schenkten sich nichts.

© Patricia Neligan/SWR/dpa

Kretschmann gegen Eisenmann: Nach dem Duell ist in Baden-Württemberg vor dem Kabinett

Kurz vor der Wahl im Ländle trafen der Ministerpräsident und seine Herausforderin aufeinander. Ein Schlagabtausch wurde es nicht - das lag auch am Moderator.

Kurz nach dem Duell konnte Winfried Kretschmann wieder herzhaft lachen. Ein österreichischer Experte für Körpersprache analysierte im SWR, welchen Eindruck Gestik und Mimik des Ministerpräsidenten im Duell mit seiner Herausforderin Susanne Eisenmann gemacht hatten: "Er ist unglaublich vielfältig in seinem Gestikulieren. Vielfalt zeugt von Kommunikationsfähigkeit." Besonders lobend erwähnte der Experte die "intensiven Augenbrauen" und sein "Handkantenschlag", der Durchsetzungskraft vermittle. Kretschmann, der das im Pressebereich auf einem Monitor verfolgte, hielt sich Bauch und die grüne Maske vor Lachen.

In den 70 Minuten davor hatte Baden-Württembergs Landesvater, der sich in diesen Tagen auch um seine kranke Frau sorgt, dagegen wenig bis nichts zu lachen. 13 Tage vor der Wahl im Ländle hatte der SWR die Spitzenkandidaten von Grünen und CDU zum TV-Duell in die Stuttgarter Wagenhalle gebeten. Wo vor 130 Jahren Lokomotiven abgestellt wurden, sollten nun die Weichen für die nächsten fünf Jahre gestellt werden. Im Pandemie-Wahlkampf einer der wenigen Aufritte, bei dem sich die beiden Politiker einer breiten Öffentlichkeit vorstellen konnten.

Das hat vor allem Susanne Eisenmann nötig. Die Kultusministerin liegt mit ihrer CDU in jüngsten Umfragen sieben Prozent hinter den Grünen - bei den Persönlichkeitswerten schmiert sie völlig ab. Keine einfache Ausgangslage, zumal sie in den vergangegen fünf Jahre in der Grün-Schwarzen-Koalition mitverantwortlich für den Kurs im Südwesten war. Und so tat sich die 56-Jährige beim Thema Corona zu Beginn schwer - "eindimensional" sei ihre Gestik gewesen, sollte der Körpersprachen-Experte später sagen.

Stattdessen legte Kretschmann temperamentvoll los. Den obligatorischen Guten-Abend-Gruß sparte er sich und begann sofort einen eindringlichen Appell, nun nicht zu schnell zu lockern. "Wir dürfen jetzt nicht riskieren, dass wir durch zu schnelle und zu breite Öffnungen in eine dritte Welle reinkommen." Angesichts der Virus-Mutation werde man in der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch mit der Kanzlerin "sehr sorgfältig" abwägen.

Eisenmann, die schon vor Wochen die Schulen und Kitas öffnen wollte und damit krachend gescheitert war, forderte von Kretschmann und seinem Sozialminister Manne Lucha dagegen eine "Gesamtstrategie", bei der das Thema Schnelltests mit richtigen Strukturen mitgedacht werde. Zudem wolle sie ab der nächsten Woche auch die Klassenstufen fünf und sechs zurück in die Schulen holen. "Kinder und junge Menschen brauchen Perspektive", forderte sie. Dass Eisenmann selbst im Kabinett sitzt, hatte sie da scheinbar kurzzeitig vergessen.

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Überhaupt tauschten die beiden Kontrahenten immer wieder ihre eigentlichen Lager. Während Kretschmann mit seiner landesväterlichen Vorsicht eng am Kurs der Kanzlerin festhielt, war Eisenmanns Forderung nach Schnelltests im Kern das, was Grünen-Chef Robert Habeck am Morgen im "Spiegel" gefordert hatte.

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Letztlich wurden jedoch nur Nuancen erkennbar, in denen sich Kretschmann und Eisenmann unterschieden. Das lag auch an den Fragen von SWR-Chefredakteur Fritz Frey, die ähnlich uninspiriert ausfielen, wie die Getränkewünsche der Kandidaten (Kretschmann Kräutertee, warm; Eisenmann Wasser, medium).

Keine Frage zu Klimaschutz, Familie oder innerer Sicherheit

Fast 45 Minuten trieb Frey die beiden Politiker durch die Mikropolitik Corona - ein Feld, in dem sich Eisenmann und Kretschmann in den großen Linien einig waren und keinerlei Möglichkeiten hatten, Visionen für die nächste Legislaturperiode auszubreiten. Die Themenfelder Wirtschaft, Verkehr und Bauen wurden am Schluss nur noch kurz angerissen, die Komplexe Klimawandel, Familie und innere Sicherheit fielen komplett aus der Sendung.

Dabei wären es genau die Themen gewesen, in denen sich die Kandidaten unterscheiden. Eisenmann konnte hier gegen Kretschmanns Dauer-Defensive doch noch den ein oder anderen Treffer landen. So kritisierte sie die Ansiedlungspolitik der Grünen, die sich nicht genug um den E-Auto-Konzern Tesla bemüht hätten, der sich schließlich für Grünheide in Brandenburg entschied. "Eine Politik der ruhigen Hand ist sinnvoll, aber die Hand sollte dabei nicht einschlafen", sagte Eisenmann über Kretschmann.

Auch beim Thema Verkehr versuchte Eisenmann den Amtsinhaber aus der Reserve zu locken. Sie hielt ihm die Forderung aus dem Grünen-Wahlprogramm vor, dass in Zukunft jeder zweite Weg in Baden-Württemberg mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden sollte. Für sie klinge das, dass "die Oma, die 20 Kilometer läuft." Das sei "Polemik", sagte Kretschmann und wirkte genervt.

Am Ende blieb es ein Duell ohne Sieger. "Frau Eisenmann war am Schluss wahnsinnig gut", sagte der Körpersprachen-Experte nach der Sendung. Schränkte aber ein, dass sie "zu spät" aufgewacht wäre. Für Kretschmann ein akzeptables Ergebnis, das er jedoch schon nicht mehr hörte. Etwas schlurfend verließ er die Wagenhalle in Richtung Dienstlimousine. Ihre eigene Analyse zum TV-Duell können Kretschmann und Eisenmann bereits am Dienstag erörtern - dann sehen sie sich wieder im Kabinett.

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