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Sicherheitskräfte in Mosambik.

© imago/photothek

Mosambik und der islamistische Terror: Gier nach Gas

Im Norden Mosambiks sollen Rohstofflagerstätten erschlossen werden. Armee und Islamisten führen einen Kampf mit brutalem Terror.

Ein mit einem Handy aufgenommenes, verwackeltes Video zeigt fünf Uniformierte, die einer Frau auf einer Teerstraße folgen. Die Frau ist nackt. Als die Soldaten sie eingeholt haben, schlägt einer ihrer Verfolger mit einem Holzstock auf sie ein.

Zwölf Hiebe, auf die Beine, auf den Rücken, ins Gesicht. Die Frau schreit, versucht zu rennen, stolpert, einer der Uniformierten schießt mit seiner Kalaschnikow in ihre Brust, sie taumelt, weitere Schüsse folgen. Die Frau bewegt sich nicht mehr.

Doch selbst jetzt gehen die Schüsse weiter. Die Uniformierten entleeren ihre Magazine in den Körper der Toten. Der filmende Soldat macht noch schnell ein Selfie von sich mit Siegeszeichen. Er lächelt.

Das Video wurde im Norden von Mosambik aufgenommen, nahe des Dorfs Awassi, das beim Kampf der Armee von Mosambik gegen islamistische Rebellen als strategisch wichtig gilt. Den Gesprächsfetzen der Uniformierten ist zu entnehmen, dass sie die Frau für eine Sympathisantin der Rebellen halten.

Die Armeeführung zeigt sich über das im Internet verbreitete Video entsetzt. Allerdings sei der Beweis nicht erbracht, dass es sich tatsächlich um Soldaten handelte. Auch die Rebellen pflegten mosambikanische Uniformen zu tragen, um den Gegner zu verwirren. Man kündigt eine Untersuchung an.

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Schwere Menschenrechtsverletzungen

Amnesty International berichtete bereits Anfang des Jahres von schweren Menschenrechtsverletzungen der Armee. Der Organisation liegen Videos vor: Sie zeigen eine versuchte Enthauptung, Folterungen und Exekutionen angeblicher Kämpfer der Islamistengruppe Ahlu Sunnah Wa-Jamo. Mosambiks Sicherheitskräfte betrachteten „ihre Gegner offenbar nicht als Menschen“, sagt Pierd Pigou von der Internationalen Krisengruppe. Bestraft wurde deshalb noch niemand.

Vor drei Jahren begann der Konflikt in der Provinz Cabo Delgado. Den Truppen der Armee und der Spezialpolizei gelingt es nicht, die Aufständischen in den Griff zu bekommen, die sich selbst wie in Somalia „Al Schabab“ (arabisch: die Jungs) nennen.

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Anfang August gelang es den „Jungs“ ein zweites Mal, das Hafenstädtchen Mocimboa da Praia einzunehmen. Von dort aus werden die Vorbereitungen zur Ausbeutung eines der größten Gasfelder des Kontinents vor der Küste des Indischen Ozeans versorgt. Internationale Ölmultis wie ExxonMobil und Total werden dort über 50 Milliarden US-Dollar investieren, das derzeit größte Wirtschaftsprojekt Afrikas.

Der Aufstand von „Al Shabab“ ist eine Folge des Vorhabens. Die überwiegend muslimische Bevölkerung Cabo Delgados sieht sich von der mehrheitlich christlichen Regierungselite im Süden über den Tisch gezogen. Der Norden Mosambiks gilt schon seit Jahrzehnten als Hinterhof des Landes. Hier wurden illegale Geschäfte gemacht, Rauschgift-, Waffen- oder Wildtierhandel. Die Bevölkerung der Provinz will jetzt endlich vom Rohstoffsegen vor ihrer Küste profitieren – oder andernfalls das Vorhaben stoppen.

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„Al Shabab“ musste bei der ersten Einnahme des Hafenstädtchens schon nach wenigen Tagen das Feld räumen, diesmal vermochte sie Mocimboa da Praias zu halten. Inzwischen nutzen die „Jungs“ Mocimboa als Stützpunkt für weitere Geländegewinne. Mit zwei von der fliehenden Armee zurückgelassenen Schnellbooten nehmen sie derzeit eine Insel nach der anderen ein.

Versagen der Sicherheitskräfte

Das peinliche Versagen der Sicherheitskräfte rief bereits den südafrikanischen Staatenbund SADC auf den Plan. Für Südafrika, Tansania oder Simbabwe wäre ein Scheitern des Projekts genauso katastrophal wie die Etablierung eines Islamistischen Emirats in ihrem Hinterhof. „Al-Schabab“ erklärte im vergangenen Jahr seine Loyalität zur Terrororganisation „Islamischer Staat“.

Noch scheuen die SADC-Mitglieder vor einer militärischen Intervention in Nordmosambik zurück. Die Regierung in Maputo habe noch keinen Zeitplan für einen derartigen Einsatz vorgelegt, heißt es aus Südafrika. In den Zeiten von Corona und der Kernschmelze seiner Wirtschaft steht in Südafrika keinem der Sinn nach Militäreinsätzen.

Derweil leuchten bei ExxonMobil und Total die Warnlampen auf. Plötzlich sieht es so aus, als könnte das Projekt tatsächlich zum Erliegen kommen. Deshalb wollen sich die Multis an der Sicherung ihres Gasfeldes nun auch selbst beteiligen. Private internationale Sicherheitsgesellschaften, früher Söldner, genannt, hoffen bereits auf Geschäfte.

Johannes Dieterich

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