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Eine Ehrenformation steht am Sarg des ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

© Swen Pfoertner/ REUTERS

Update

Festgenommener Stephan E.: Mordverdächtiger soll Lübcke „Volksverräter“ genannt haben

Ermittler in Kassel sind einem möglichen Motiv im Fall Lübcke auf der Spur. Die Ombudsfrau der NSU-Opfer fordert, Verbindungen zur Terrorgruppe zu prüfen.

Bei den Ermittlungen zum Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zeichnet sich einem Medienbericht zufolge ein mögliches Motiv ab. Wie der "Spiegel" in seiner neuen Ausgabe berichtet, halten es die ermittelnden Beamten für möglich, dass der tatverdächtige Stephan E. 2015 die Bürgerversammlung besucht hat, auf der sich Lübcke den Unmut rechtsgerichteter Zuhörer und Internetnutzer zugezogen hatte.

Derzeit werde überprüft, ob E. unter den rund 800 Besuchern gewesen sei, heißt es aus Polizeikreisen. Bei der Bürgerversammlung am 14. Oktober 2015 in Lohfelden hatte der Regierungspräsident den geplanten Bau einer Flüchtlingsunterkunft verteidigt. Er sprach dabei von Werten und sagte: "Und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist." Das sei die Freiheit eines jeden Deutschen.

Daraufhin machten sich zunächst im Saal Proteste breit, später zog eine Videosequenz mit diesen Worten im Internet zahlreiche Hasskommentare auf sich. Nach Kenntnis der Ermittler soll E. Lübckes Auftritt in Lohfelden nicht nur "sehr genau wahrgenommen", sondern gegenüber Gleichgesinnten auch "kommentiert und bewertet" haben, schreibt der "Spiegel". So habe er sich in einem Chat über Lübcke aufgeregt und ihn als "Volksverräter" bezeichnet.

Das Bürgerhaus, in dem die Versammlung stattfand, liegt demnach nur zwei Kilometer vom Wohnhaus des Tatverdächtigen entfernt. Die Erstaufnahmeeinrichtung sollte damals einen guten Kilometer von seinem Haus entfernt errichtet werden. Gegenüber den Ermittlern äußerte sich Stephan E. bislang nicht zu den Tatvorwürfen.

Beauftragte John fordert Öffnung alter Akten

Die Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer, Barbara John, fordert eine Untersuchung möglicher Verbindungen zwischen dem Mordfall Walter Lübcke und dem rechtsextremistischen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Dazu sollten auch die gesperrten hessischen Verfassungsschutzakten freigegeben werden.

"Ich schließe nicht aus, dass der jetzt Festgenommene damals zu den NSU-Kreisen gehört hat, die im Hintergrund beteiligt waren", sagte John den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Freitag mit Blick auf die Ermordung von Halit Yozgat durch den NSU in Kassel.

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"Deshalb müssen die Akten zum Mordfall in Kassel wieder geöffnet werden", sagte John weiter. Yozgat war am 6. April 2006 in seinem Internetcafé erschossen worden. Lübcke, der Anfang Juni erschossen wurde, war Regierungspräsident von Kassel.

Der Verfassungsschutz und die Landeskriminalämter seien in der Pflicht, etwaige Bezüge noch einmal genauer zu betrachten, sagte John den Zeitungen. Auch müssten die Behörden darlegen, warum der wegen des Lübcke-Mordes in Untersuchungshaft sitzende Rechtsextremist Stephan E. "nicht weiterhin im Beobachtungsfeld geblieben ist".

Der vom hessischen Landesamt für Verfassungsschutz beanspruchte Quellenschutz für eine Dauer von 120 Jahren könne nicht gelten, betonte John. Sie bezog sich dabei unter anderem auf den ehemaligen Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme, der etwa zum Zeitpunkt des Mords an Yozgat in dessen Internetcafé saß. (AFP)

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