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War schon nicht einfach und wird immer schlimmer: Das Leben von armutsgefährdeten jungen Leuten (Symbolfoto).

© imago images/Panthermedia

"Monitor Jugendarmut": Du hast keine Chance, also nutze sie nicht

Die Coronakrise trifft armutsgefährdete junge Leute besonders heftig. Dennoch ist unwahrscheinlich, dass sich für sie so bald etwas ändert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Jugendliche und junge Leute sind derzeit vor allem als problemignorante Coronaverbreiter in den Schlagzeilen, als sorglos verwöhntes Partyvolk. Dass damit nicht alles über jugendliches Leben in Deutschland gesagt ist, stellt der „Monitor Jugendarmut“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholischer Jugendarbeit klar, der am Donnerstag präsentiert wurde.

Der Monitor entwirft auf der Basis von aktuellen Statistiken ein recht düsteres Bild aus Chancen- und Hoffnungslosigkeiten, in dem sich immerhin 3,2 Millionen Menschen im Alter bis 24 Jahre wiederfinden dürften. Die Kurzformel für diese Zahl lautet: Ein Viertel aller armutsgefährdeten Menschen in Deutschland ist unter 25 Jahre alt. Und in Coronazeiten, in denen etwa Azubistellen gestrichen werden, ist die Tendenz steigend.

Die Langversion weiß, dass mehrere Millionen Jugendliche ohne realistische Chancen auf ein eigenständiges und selbstfinanziertes Leben eine große Belastung für die Betroffenen und eine hohe Hypothek für die Volkswirtschaft sind. Die Langversion weiß auch, dass diese armutsgefährdeten Jugendlichen höchstwahrscheinlich aus armutsgefährdeten Elternhäuser stammen und höchstwahrscheinlich armutsgefährdete Familien gründen werden.

Alles Menschen, die für die Gesellschaft verloren waren, sind und bleiben. Die Langversion weiß, dass darin eine große und unsinnige Ungerechtigkeit liegt und die Gesellschaft gut beraten wäre, mit voller Kraft Abhilfe zu schaffen und Jugendlichen aus prekären Verhältnissen besonders stützend unter die Arme zu greifen.

Stattdessen sieht die bundesdeutsche Realität viel zu oft so aus, dass junge Menschen, die sogenannte erzieherische Hilfen erhalten und in Heimen oder in betreuten Wohngruppen leben, dort rausfliegen, wenn sie 18 Jahre alt sind. Eine Ausbildungsstelle oder einen Arbeitsplatz, von dem sie leben und sich eine Wohnung leisten können, haben bis dahin in der Regel nicht. Und schon geraten sie auf der Rutsche nach unten in Fahrt.

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Dass Biographien junger Menschen bis heute nach solchen längst erkannten Mustern scheitern ist eine Blamage für sich. Daran etwas zu ändern ist so nötig wie möglich und wäre zum Nutzen aller. Die Monitor-Ersteller von der Katholischen Jugendarbeit beispielsweise fordern ein Recht auf Ausbildung, eine eigene Grundsicherung für Kinder und junge Leute und mehr bezahlbaren Wohnraum für sie.

Statt das es aber so kommt, ist wahrscheinlicher, dass in der allgemeinen Coronakrisenbewältigung die sich verschärfende Problemlage der ohnehin Bedürftigen übersehen wird. Ganz so, als seien die, weil ans prekäre Dasein längst gewöhnt, nicht so bedeutend. Die Aufmerksamkeit haben eher diejenigen, die sich über ein weiteres Digitalsemester beklagen. Was auch seine Berechtigung hat. Aber nur, wenn die anderen darüber nicht vergessen werden.

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