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Extremismus: Mit Recht gegen Rechte?

Sachsen-Anhalt und Brandenburg fordern härtere Strafen für Schläger – Fachleute nennen das populistisch. Für politisch motivierte Straftaten sollen im Regelfall keine Bewährungsstrafen mehr verhängt werden.

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Es waren keine Einzelfälle: Im Juni wurde ein Theaterensemble in Halberstadt von Rechtsextremen brutal überfallen, die herbeigerufene Polizei ließ die Täter zunächst laufen. Einen Monat zuvor war bekannt geworden, dass der Vizechef der Polizeidirektion von Dessau seine Mitarbeiter aufgefordert haben soll, die Ermittlungen gegen rechte Kriminalität zu bremsen. Jetzt will Sachsen-Anhalt positive Schlagzeilen produzieren, wenn es um die Verfolgung rechter Gewalt geht. Zusammen mit Brandenburg plant das Justizministerium, sich im Bundesrat für schärfere Strafen gegen rechtsextreme Straftäter einzusetzen. Unter Fachleuten ist die Novelle umstritten.

Geplant ist eine Änderung im allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches. Die Strafen sollen künftig verschärft werden, wenn die Taten wegen der politischen Einstellung, der Nationalität oder der Hautfarbe des Opfers begangen werden. Für politisch motivierte Straftaten sollen im Regelfall keine Bewährungsstrafen mehr verhängt werden, wie eine Sprecherin des Brandenburger Justizministeriums dem Tagesspiegel erläuterte. Offiziell sollen die Pläne am kommenden Mittwoch in Berlin von den Ministerinnen Beate Blechinger (Brandenburg, CDU) und Angela Kolb (Sachsen-Anhalt, SPD) vorgestellt werden.

Oppositionspolitiker in beiden Bundesländern sind wenig begeistert. Kritik äußert etwa Veit Wolpert, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Magdeburger Landtag. „Der Plan bedeutet eine gefährliche Wandlung des Strafrechts in Richtung Gesinnungsschnüffelei“, sagte Wolpert dem Tagesspiegel. Zudem verstoße ein besonderer Schutz ethnischer Minderheiten gegen das Gebot der Gleichbehandlung im Grundgesetz. Auch Gudrun Tiedge, Rechtsextremismus-Expertin der Linksfraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, nennt die Initiative der beiden Landesregierungen „populistisch“, sprach sogar von geplanten „Gesinnungsüberprüfungen“ und „politischer Justiz“. Sie sagte, das geltende Strafrecht biete ausreichende Möglichkeiten, Zweifel seien berechtigt, ob diese immer ausgeschöpft würden. Fälle wie in Halberstadt oder Dessau jedenfalls würden mit der Initiative der beiden Ost-Länder – beide werden von einer großen Koalition regiert – nicht verhindert. Auch Kai Bussmann, Professor für Strafrecht an der Universität Halle, hält das Vorhaben für falsch. „Das ist wohlfeiler politischer Populismus“, sagte er. „Eine Änderung am Gesetz kostet nichts, sie wird aber auch nichts bringen.“

Oft liegt es nicht an fehlenden Gesetzen, wenn gegen Rechtsextremisten nicht energisch vorgegangen wird. Nach dem Polizeiskandal in Halberstadt sorgte vorvergangene Woche ein weiterer Fall aus Burg für Aufsehen: Nach einem Überfall auf Vietnamesen hatten Polizisten vergebens Verstärkung angefordert. Was mit Fantasie möglich ist, zeigten Cottbuser Bürger Ende Juli: Mit verlassenen Straßen und geschlossenen Rolläden ließen sie eine Demonstration der NPD ins Leere laufen. Mecklenburg-Vorpommern verspricht sich Abschreckung von einer Initiative gegen „Hasskriminalität“. Dort sollen nach rechtsextremistischen Straftaten nicht mehr als sechs Wochen bis zur Hauptverhandlung vergehen.

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