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Der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil (SPD) bei der jüngsten Debatte zur Kurzarbeit im Bundestag.

© imago images/Christian Spicker

42 Milliarden für Kurzarbeit: Minister Heil gegen 4-Tage-Woche wie in Belgien

Bundesarbeitsminister Heil sagt, Kurzarbeit habe drei Millionen Jobs gerettet. Eine generelle 4-Tage-Woche will er nicht, aber eine bezahlte "Bildungszeit".

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat die hohen Kosten der noch einmal verlängerten Kurzarbeit-Regelungen als wichtige Rettungsmaßnahme in der Corona-Pandemie verteidigt. „Seit Beginn der Krise haben wir rund 42 Milliarden Euro ausgegeben“, sagte Heil in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ (Sonntag). „Dazu muss man wissen: Wir hatten aus den guten Zeiten Rücklagen. Bei der Bundesagentur für Arbeit von 26 Milliarden Euro, die haben wir voll eingesetzt und als es nicht mehr gereicht hat, auch mit Bundesmitteln ausgeholfen.“ Er wolle es auf folgenden Nenner bringen: „Kurzarbeit war verdammt teuer. Aber die Alternative, nämlich die Rückkehr von Massenarbeitslosigkeit zuzulassen, wäre für Deutschland sozial und ökonomisch viel, viel teurer gewesen.“ Das Geld, das aufgewandt wurde, sei nicht verschwunden, sondern habe im Wirtschaftskreislauf mitgeholfen, die Volkswirtschaft zu stabilisieren.

„Nach unseren Erkenntnissen hat Kurzarbeit bis zu drei Millionen Arbeitsplätze in Deutschland gesichert.“ Zu Beginn der Pandemie seien etwa sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit, jetzt noch ungefähr eine Million.

Ein weiterer positiver Effekt sei, dass Unternehmen jetzt, wo Öffnungen möglich sind, ihre Fachkräfte an Bord hätten, um durchzustarten. „Andere Länder haben sich an unserem Modell orientiert“, betonte Heil.

„Der amerikanische Arbeitsminister sagte mir, dass „The Kurzarbeit“ da ein eigener Begriff wie „Kindergarten“ geworden ist. Das ist doch eine schöne Chiffre für gutes Krisenmanagement.“

Der Bundestag hatte am Freitag die coronabedingten Regelungen für Kurzarbeit verlängert. Kurzarbeitergeld kann vorerst weiter bis zum 30. Juni gezahlt werden. Zugleich wurde die maximale Bezugsdauer von 24 auf 28 Monate verlängert.

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In Belgien kommt die 4-Tage-Woche

Er betonte, der Arbeitsmarkt stehe vor gewaltigen Umwälzungen. „Der Wandel von Wirtschaft und Arbeitswelt ist rasant  –  Digitalisierung, Demographie und der ökologisch notwendige Umbau der Industrie sind die Treiber“. Er will aber keine generelle Möglichkeit einer Vier-Tage-Woche wie in Belgien einführen, aber flexiblere Arbeitszeitmodell ausbauen. "Ich möchte das nicht für den gesamten deutschen Arbeitsmarkt vorschreiben“, sagte Heil dem „Tagesspiegel“.

Bei dem Modell in Belgien bleibt die Wochen-Arbeitszeit zwar gleich, aber wenn Arbeitnehmer sie in vier Tagen schaffen, haben sie am fünften Tag frei. „Wenn so ein Modell zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern oder Betriebsparteien vereinbart werden kann, ist dagegen nichts einzuwenden“, betonte Heil, dass er sich dem nicht grundsätzlich widersetzt. „Mir geht es darum, Flexibilität zu ermöglichen, damit die Arbeit an die Bedürfnisse der Menschen angepasst ist. Ich habe zum Beispiel die Brückenteilzeit eingeführt, so dass Menschen, die für die Familie eine Zeit lang Stunden reduzieren wollen, wieder in Vollzeit zurückkommen können“, sagte Heil.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in seinem Ministerium.

© Tagesspiegel/Nassim Rad

Bezahlte Bildungszeit kommt

In dem Kontext werde auch eine Bildungszeit nach österreichischem Vorbild eingeführt, damit Menschen Zeit und die finanzielle Sicherheit für Weiterbildungen haben. „Damit die Beschäftigten von heute die Arbeit von morgen machen können, müssen wir zur Weiterbildungsrepublik werden. Mein Modell sieht vor, dass Beschäftigte bis zu einem Jahr Bildungszeit nehmen können oder bis zu zwei Jahren Bildungsteilzeit, um sich beruflich weiterzuqualifizieren und in dieser Zeit aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit bezahlt werden.“ So könne sich dann zum Beispiel eine Mechanikerin in Ruhe zur Umwelttechnikerin weiterbilden lassen. „Das ist dann eine Win-win-Situation: Sie kann beruflich aufsteigen, ihr Arbeitgeber muss nicht mühsam qualifizierte Fachkräfte suchen, sondern hat sie schon an der Hand. In Zeiten des Fachkräftewandels werden diese Modelle von großer Bedeutung sein.“

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Erstes Großprojekt: Mindestlohnerhöhung

Die Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro wird bereits kommende Woche vom Bundeskabinett beschlossen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir das nächste Woche auf den Weg bringen und am Mittwoch im Kabinett beschließen werden“, sagte der Minister.. Davon würden über sechs Millionen Beschäftigte profitieren. „Der Mindestlohn steigt bereits zum 1. Juli auf 10,45 Euro und dann ab 1. Oktober gesetzgeberisch auf 12 Euro. Danach ist es wieder Aufgabe der Mindestlohnkommission, Vorschläge zu den nächsten Schritten zu machen“, schloss der Minister weitere Erhöhungen wegen der Inflation nicht aus. Profitieren würden überwiegend Frauen, „viele Beschäftigte auch aus Ostdeutschland“, sagte Heil.  Dazu gehörte Menschen in der Gastronomie, in Dienstleistungsberufen, der Lagerlogistik, Reinigungskräfte ohne Tarifvertrag. „Es geht um Menschen, die in der Pandemie den Laden am Laufen gehalten haben. Für die es ziemlich zynisch wäre, wenn es jetzt beim bloßen Applaus bleiben würde.“

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